Dobrindt trifft seine Lieblingsfeinde

von Redaktion

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

München – Das letzte Mal, als Alexander Dobrindt mit den Grünen sondiert hat, ließ er sich eine recht fiese Begrüßung einfallen. 2017 war das, statt für eine erträumte schwarz-gelbe Koalition hätte das Wahlergebnis nur für Jamaika gereicht. Also mit den Grünen. „Jetzt ist uns Tofu in die Fleischsuppe gefallen“, maulte der CSU-Politiker.

Mahlzeit: Das Fleisch ist faseriger geworden, der Tofu satter bei den 2021er-Sondierungen. Wieder muss Dobrindt Jamaika verhandeln, diesmal als einzige Chance für die Union, das Land zu regieren. Die Grünen (14,8 Prozent) und die FDP (11,5) sind erstarkt, während CDU/CSU auf ein Rekordtief (24,1) sanken. Heute beschnuppern sich die Unterhändler von Schwarz und Grün, Dobrindt dürfte sich seinen Suppen-Spott diesmal verkneifen.

Geändert hat er seine Meinung nicht. Der 51-Jährige aus Peißenberg ist in der CSU der überzeugteste Gegner der Grünen, seit Jahren, mit fast allen Mitteln. 2011 als Generalsekretär brachte er ein „Strichmännchen“-Video in Umlauf, das die Grünen als Protesttrottel mit Steinschleuder verhöhnte. 2013 zog er die Debatte um pädophile Gruppen in der Frühzeit der Grünen hoch. In der Folge bemühte er sich, die Grünen als Verbots- und Dagegen-Partei zu brandmarken, als antibürgerliche „Brandstifter“. So lustvoll stieg er auf die Details zum geschönten Baerbock-Lebenslauf ein, dass die Grünen über „Rufmord“ schimpften. Er machte auch nicht mit, als sein Parteichef Markus Söder die Grünen monatelang als potenziellen Partner umgarnte. Lieber brachte er jeden Tag die „Deutschland“-Koalition aus Union/SPD/FDP ins Spiel – was sich inzwischen erledigt hat, die SPD liegt ja vorn.

Es ist nicht Hass von seiner Seite, sondern Kalkül. Er sieht die Union zu weit in die linke Mitte gerückt, würde sie gern konservativer verorten. Grüne Bündnisse drohen das Profil zu verwischen, die Union zu entkernen. Söders Hoffnung, regierende Grüne würden sich schon entzaubern, teilt er nicht. Siehe Baden-Württemberg: Der grüne Regent Kretschmann war 2011 vielleicht ein Unfall, heute ist er mit immer tiefer bürgerlichen Mehrheiten ein Jahrzehnt im Amt. Ein Langfrist-Szenario sogar für Bayern?

Dobrindts Warnung, schon 2017: Jamaika würde den rechten Rand stärken, die Grünen als Kraft der Mitte stärken und der Union schaden. Auf Kompromisse bei Migration oder Drogenpolitik würden große Teile der CSU-Basis gallig reagieren. Themen wie Klimaschutz – im Kern urkonservativ – will er aber aus eigener Kraft voranbringen, nicht nur als ein Wurmfortsatz der Ökopartei.

In den Sondierungen wird Dobrindt so zu einer spannenden Figur, für die grünen Verhandler unangenehm. Persönlich verlieren kann er mit und ohne Jamaika nichts, als Landesgruppenchef ist er frisch wiedergewählt. Die 45 CSU-Abgeordneten zu führen, ist ein freieres Amt als jeder Ministerposten – eine Machtposition im Koalitionsausschuss, in der Opposition der Freibrief zur Vollattacke. Er lebt das seit 2017.

Gleichzeitig denkt auf Unionsseite kaum einer so strategisch wie er. Dobrindt mag sich wie ein Wüterich lesen, in Wahrheit berechnet er jeden Winkelzug und jedes Komma voraus. Vor den härtesten politischen Beleidigungen legt er oft eine kleine Denkpause ein, kalkuliert Wirkung und Spätfolgen.

Bei den Grünen gibt es wenige, die ihn einschätzen können. Parteichef Robert Habeck mag gute Drähte zu FDP-Lindner und Teilen der CDU haben, nach Bayern nicht. Den engsten Kontakt hält, auch wieder so ein Kuriosum, Linksaußen Anton Hofreiter. Er und Dobrindt, die sich öffentlich beschimpften („Heuchler“, „Geisterfahrer“), trafen sich diskret mehrfach.

Und jetzt? Spuckt Dobrindt in die Tofu-Suppe? Am Vorabend des Treffens gibt er sich zahm. Man habe gelernt aus 2017, sagt er unserer Zeitung, dass es mehr Bereitschaft brauche, Kompromisse zu finden. „Nicht den Anspruch, den größtmöglichen Sieg über mögliche Koalitionspartner zu erreichen.“

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