Dass das Nordirland-Protokoll des Brexit-Vertrags im Alltag Probleme bereiten würde, war wohl allen Unterzeichnern klar. Insofern ist es nicht ungewöhnlich, wenn im Lichte konkreter Schwierigkeiten im Detail nachgearbeitet wird. Solange dies in beiderseitigem Einvernehmen geschieht. Was die britische Regierung von Boris Johnson nun aber aufführt, schießt weit übers Ziel hinaus.
Dabei sind die Brüsseler Verhandler den Briten beim Abbau bürokratischer Zoll-Kontrollen von Waren in der irischen See bereits weit entgegengekommen. Obwohl London mit der einseitigen Verlängerung von Übergangsfristen bereits kernig gegen das Vertragswerk verstoßen hat. Vollends schießt Brexit-Minister David Frost den Vogel ab, wenn er den Europäischen Gerichtshof als Schiedsrichterinstanz in Fragen des nordirischen Warenverkehrs ablehnt. Erstens ist dies sachlich logisch, weil die britische Provinz weiter im EU-Binnenmarkt verbleibt. Und zweitens war es David Frost selbst, der damals das Nordirland-Protokoll verhandelt hat. Entlarvend sind die öffentlichen Bekenntnisse von Johnsons Ex-Chefberater Cummings und des irischen Abgeordneten Paisley, die glaubhaft darlegen, dass der Premier und sein Team nie daran dachten, den Brexit-Vertrag in allen Teilen einzuhalten. „Pacta sunt servanda“ – Verträge sind einzuhalten, ist ein Grundpfeiler seriöser Politik. Will die Regierung ihrer Majestät tatsächlich von diesem Grundsatz abrücken und einen Handelskrieg mit der EU riskieren?
Alexander.Weber@ovb.net