Münster – So niedergeschlagen wie am Samstag sah man Armin Laschet selbst nach der verlorenen Bundestagswahl selten. Mit einer überraschend offenen, selbstkritischen Rede tritt der gescheiterte Kanzlerkandidat in Münster vor die über 300 Delegierten des Deutschlandtages der Jungen Union. Damit nimmt der 60-Jährige Noch-CDU-Chef dem Unions-Nachwuchs viel Wind aus den Segeln. Als Laschet eingesteht, Wahlkampf und Kampagne habe er zu verantworten „und sonst niemand“, kursiert schon eine Beschlussvorlage des JU-Bundesvorstandes zu „Analyse und Konsequenzen“ der Bundestagswahl, das an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt.
„Armin Laschet konnte die Herzen der Menschen leider nicht erreichen. Ganz im Gegenteil: Viele Wähler haben der Union wegen des Personalangebots die Stimme nicht gegeben“, heißt es dort etwa. Die Kommunikation im Wahlkampf sei „weder klar noch mutig“ gewesen. Eine „Kultur der Illoyalität“ wird beklagt und das schlechte Zusammenspiel der Schwesterparteien.
Die meisten hatten nach der Lektüre ein Scherbengericht über Laschet erwartet. Doch der bekennt sich unumwunden zu Fehlern und sagt zu der eigentlich vernichtenden Bestandsanalyse: „Ich stimme in nahezu allem zu – was mich betrifft und was den Wahlkampf betrifft.“ Nur mit Offenheit „und übrigens auch mit Charakter“ habe die Union eine Chance, wieder nach vorne zu kommen.
Viele der jungen Delegierten, die anschließend zur Aussprache ans Mikrofon treten, würdigen ausdrücklich Laschets Selbstkritik und seine Courage, zu dem Termin anzutreten. Das richtet sich auch an Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Der CSU-Chef hatte kurzfristig abgesagt und über die „Welt am Sonntag“ wissen lassen, die CSU werde, wenn es gewünscht sei, mithelfen, die Union zu stabilisieren. „In Stil und Inhalt sollten wir wieder enger zusammenrücken, anstatt öffentlich übereinander zu reden“, so Söder.
Zur Zielscheibe der Jungen Union werden in Münster so die Generalsekretäre Paul Ziemiak (CDU) und Markus Blume (CSU). Sie bekommen den geballten Unmut der jungen Straßenwahlkämpfer ab, über die Zwistigkeiten zwischen den Schwesterparteien, mangelnde Professionalität beim Auftritt in den Sozialen Medien oder auch fehlende Positionierungen beim „Wahl-O-Mat“. „Ihr beide habt es zu verantworten, dass im Bundestagswahlkampf die Jusos und Olaf Scholz geschlossener waren als die CDU und CSU. Das ist eine absolute Frechheit“, sagt der Vorsitzende der JU in NRW, Johannes Winkel.
Auch mögliche Kandidaten für Laschets Nachfolge an der CDU-Spitze sprechen bei der JU vor. Friedrich Merz war schon am Freitag dran, am Wochenende spricht auch Ralph Brinkhaus, Chef der Unionsfraktion im Bundestag. Schon wie Bewerbungsreden klingen die forschen Ansprachen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und Carsten Linnemann. Spahn dekliniert mit viel Emphase „Leitsätze“ durch, die man parat haben müsse, „wenn man nachts wach gemacht wird und sagen soll: wofür steht die CDU?“. Der 41-Jährige präsentiert sich als schneidiger Erneuerer. Umjubelt wird aber vor allem Linnemann. Der 44-jährige Wirtschaftspolitiker fordert, „auch die ganz heißen Eisen anzupacken“, etwa das Rentensystem.
Gefeiert wird auch ein 46-jähriger, ehemaliger JU-Landesvorsitzender. Hendrik Wüst, der Laschets Nachfolge als NRW-Ministerpräsident antreten soll, mahnt mit Blick auf vier Landtagswahlen im kommenden Jahr, man dürfe nach der Bundestagswahl und der Regierungsbeteiligung nun nicht auch noch Haltung, Benehmen und Selbstachtung verlieren.