Ein weltoffener Konservativer fordert Orban heraus

von Redaktion

Peter Marki-Zay führt Ungarns geeintes Oppositionsbündnis in die Parlamentswahl im April 2022

Budapest – Der konservative und parteilose Außenseiter Peter Marki-Zay wird als Oppositionskandidat den rechtsnationalen Ministerpräsidenten Viktor Orban bei der Parlamentswahl 2022 herausfordern. Der 49-Jährige gewann überraschend eine von der Opposition organisierte Vorwahl mit deutlichem Vorsprung vor seiner sozialdemokratischen Rivalin Klara Dobrev, wie die Vorwahlkommission mitteilte. Demnach kam Marki-Zay auf 56,71 Prozent der Stimmen und Dobrev auf 43,29 Prozent. Dabei galt Marki-Zay zunächst als Außenseiter. In der ersten Wahlrunde landete Marki-Zay noch hinter dem Budapester Bürgermeister Gergely Karacsony nur auf dem dritten Platz. Er konnte diesen jedoch überzeugen, sich aus dem Rennen zurückzuziehen.

Eine derartige Vorwahl gab es in Ungarn zum ersten Mal. Sechs bisher zerstrittene Oppositionsparteien – von links-grün bis rechtskonservativ – sollen den Sieger im Wahlkampf gegen Orban unterstützen. „Heute haben wir auch die Opposition ausgewechselt“, sagte Marki-Zay. Der Opposition könne es nur gemeinsam gelingen, Orban zu besiegen. „Wir wollen ein neues, saubereres, ehrliches Ungarn“, sagte er. „Der Ausweg ist weder rechts noch links, sondern nur aufwärts“, fügte er hinzu. Er sei sich mit Dobrev darin einig, dass der Zusammenhalt der Opposition nicht zerstörbar sei.

„Dies ist die Revolution der kleinen Leute“, betonte Marki-Zay. Vor allem junge Leute hätten die Wahl für ihn entschieden. Das Durchschnittsalter seiner Wähler habe unter 40 Jahren gelegen.

Marki-Zays Stärke: Als Konservativer aus dem ungarischen Tiefland, bekennender Katholik und Vater von sieben Kindern kann er Wähler auf dem Land ansprechen, die konservativ eingestellt sind, aber von Orbans Herrschaft möglicherweise nicht mehr so überzeugt sind. Zugleich vergrault er die städtischen, eher linken Wähler nicht, weil sich sein Konservativismus mit Weltoffenheit, Toleranz und Kompromissfähigkeit verbindet.

Marki-Zay studierte Wirtschaft, Elektrotechnik und Geschichte. Von 2004 bis 2009 lebte er mit seiner Familie in Kanada und den USA. In die Politik stieg er erst 2018 ein. Damals gewann er – gleichfalls überraschend – die Bürgermeisterwahl in Hodmezövasarhely. Der Ort galt bis dahin als uneinnehmbare Hochburg der Orban-Partei Fidesz. Im Jahr darauf wiederholte er den Wahlsieg.

Marki-Zay kann die Ernüchterung vieler ehemaliger Fidesz-Anhänger aus eigener Erfahrung nachvollziehen, da er die Partei früher selbst wählte. Er sei „am Boden zerstört“ gewesen, als Orban 2002 nach seiner ersten Amtszeit als Ministerpräsident nicht wiedergewählt wurde, erzählte Marki-Zay. Als Orban 2010 jedoch an die Macht zurückkehrte, habe er sich von dessen Politik nicht mehr vertreten gefühlt. Seit gestern ist der Kleinstadt-Bürgermeister nun Hoffnungsträger all jener Ungarn, die sich nach mehr als einem Jahrzehnt unter dem Rechtspopulisten Orban eine neue Regierung wünschen.

Die Beteiligung an der Vorwahl erreichte eine Rekordhöhe: 662 016 Wähler stimmten binnen sechs Tagen ab. An der ersten Runde der Vorwahl Ende September hatten sich 633 811 Bürger beteiligt. Schon dieser Wert übertraf die Erwartungen der Organisatoren.

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