Abgeordnete an Corona erkrankt

von Redaktion

VON MARCUS MÄCKLER

München – Der Ton ist besorgt, der Appell dringlich: „Die Gesundheit von Ihnen allen steht für uns an erster Stelle“, heißt es in einer Mail, die gestern an alle Fraktionen des bayerischen Landtags ging. Es folgt die Aufforderung an Mitarbeiter und Abgeordnete, sich noch am gleichen Tag auf das Coronavirus testen zu lassen. Ein Angebot stehe im Haus zur Verfügung.

Bisher ist der Landtag von größeren Corona-Ausbrüchen verschont geblieben, doch es gibt Grund zur Beunruhigung. „Aktuell bereitet uns das Ausbruchsgeschehen im Hause Sorge“, heißt es in dem Schreiben, das unserer Zeitung vorliegt. Es stammt von der Koordinatorin für Arbeits- und Gesundheitsschutz, die den Überblick über das Corona-Geschehen im Maximilianeum hat. Allein am Dienstag seien bei ihr drei neue Infektionsfälle von Abgeordneten gemeldet worden; insgesamt befänden sich sieben Abgeordnete in Quarantäne.

Das mag zunächst überschaubar klingen, zumal die Kontaktpersonen dem üblichen Prozedere gemäß „umgehend“ informiert wurden. Allerdings weist das Schreiben auch auf die Gefahr hin, dass sich weitere positive Fälle im Haus befinden, die wegen ihrer Impfung zwar keine Symptome entwickelten, das Virus aber weitergeben könnten – oder bereits weitergegeben haben. Tags zuvor war nämlich volles Haus im Landtag. Vormittags kamen die Abgeordneten zu Fraktionssitzungen und Arbeitskreisen zusammen, ab 14 Uhr saßen viele im Plenum.

Nach Informationen unserer Zeitung soll unter den sieben Parlamentariern in Quarantäne je einer von CSU, SPD und Freien Wählern sein. Die vier übrigen gehören der AfD an, wie mehrere Quellen unabhängig voneinander bestätigten. Damit ist ein Fünftel der AfD-Fraktion infiziert. Ein Sprecher wollte sich mit Verwies auf Datenschutz nicht dazu äußern.

Grundsätzlich ist der Landtag gut geschützt. Im Plenarsaal trennen Plexiglasscheiben die Sitze, es gibt eine Lüftungsanlage. In den Ausschüssen laufen Luftfilter, es gilt die Abstandsregel. Auch die Impfquote ist beispielhaft. Eine Umfrage vom September ergab, dass 86 Prozent aller Abgeordneten geimpft sind, inzwischen sind es vermutlich mehr. Die SPD-Fraktion gab demnach an, zu 100 Prozent immunisiert zu sein, bei der impfskeptischen AfD war es nur jeder Dritte der 19 Abgeordneten. Allerdings machte knapp die Hälfte von ihnen keine Angaben.

Im Einzelfall half jedoch auch das Vakzin nichts: Bei mindestens zwei der bekannten Fälle handelt es sich um Impfdurchbrüche. Betroffen ist unter anderem der stellvertretende Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Markus Bayerbach. Er sei doppelt mit Biontech geimpft, sagte er auf Anfrage. Dennoch fiel ein Corona-Test vor mehr als einer Woche positiv aus. Seither sitzt der 58-Jährige in Quarantäne.

Auch die Freien Wähler sind betroffen. Wie Fraktionschef Florian Streibl sagte, habe bei einem (geimpften) Abgeordneten am Dienstag ein Schnelltest angeschlagen. Weil der Betroffene an einer Fraktionssitzung teilnahm, gingen mehrere Kollegen und Fraktionsmitarbeiter in Selbstisolation. Unter ihnen: Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger. Er werde „sicherheitshalber“ alle Termine der kommenden Tage absagen, erklärte Aiwanger. Aus der eignen Fraktion gab es Lob dafür: Der Parlamentarische Fraktionsführer Fabian Mehring sagte, Aiwanger habe sich „im Bewusstsein um seine besondere Verantwortung“ zur Absage der Termine entschieden. Aiwanger ist allerdings bis heute nicht gegen Corona geimpft.

Landtagspräsidentin Ilse Aigner hat am Mittwoch auf die Häufung der Fälle reagiert. Bei der nächsten Plenarsitzung am 27. Oktober ist das Tragen einer medizinischen oder einer FFP2-Maske Pflicht. In den Ausschüssen gilt eine dringende Trage-Empfehlung. Aigner warnt, trotz Impfungen bestehe Übertragungsgefahr. „Wir müssen als Verfassungsorgan strenge Maßstäbe an uns anlegen.“

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