Glasgow – Auf der Tagesordnung steht nicht weniger als die Rettung des Planeten. Hört man den Mächtigen der Welt zu, die sich am Montag in Glasgow zur UN-Klimakonferenz COP26 versammelt haben, klingt es, als stehe Klimaschutz weltweit ganz oben auf der Prioritätenliste. „COP26 kann und darf nicht das Ende der Geschichte sein“, rief Gastgeber Boris Johnson bei der Eröffnungszeremonie. Das Treffen müsse „diese Bombe“ entschärfen und „der Anfang vom Ende“ des zerstörerischen Klimawandels werden, sagte der britische Premierminister. Die scheidende Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach von „umfassender Transformation“ unseres Lebens, Arbeitens und Wirtschaftens.
So weit die großen Worte. Die schmerzhaften Details, wie diese Ziele schnell genug erreicht werden sollen, überlassen die Mächtigen ihren Verhandlern. Und die Vorzeichen, unter denen die Diskussionen in Glasgow beginnen, könnten besser sein. So hatten es die führenden Wirtschaftsnationen auf ihrem G20-Gipfel am Wochenende versäumt, sich auf konkrete Daten für den Ausstieg aus der Kohle oder die CO2-Neutralität zu einigen und damit ein Signal der größten Umweltverschmutzer nach Glasgow zu senden. Apropos Verschmutzer: Der größte Emittent von Treibhausgasen weltweit, die Volksrepublik China, blieb in Glasgow zunächst stumm. Präsident Xi Jinping verzichtete auf eine Rede und schickte nur einige schriftliche Zeilen.
Ob es beim von der Klimaaktivistin Greta Thunberg geprägten „Bla, Bla, Bla“ bleibt, das am Montag sogar Boris Johnson zitierte, werden die kommenden Wochen zeigen. Die Welt sei „katastrophal weit“ vom entscheidenden Ziel des Pariser Weltklimaabkommens entfernt – der Begrenzung der globalen Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit, schrieb Thunberg in einem Appell, der in kürzester Zeit eine Million Unterschriften erreichte. Mit anderen Aktivisten forderte sie die Staatenlenker zu entscheidenden und drastischen Maßnahmen auf.
UN-Generalsekretär Antonio Guterres sagte zum Auftakt der Klimakonferenz, sämtliche bereits zugesagten Anstrengungen beim Klimaschutz reichten hinten und vorne nicht aus, um eine Katastrophe abzuwenden. „Es ist an der Zeit, zu sagen: Genug“, sagte Guterres. „Genug brutale Angriffe auf die Artenvielfalt. Genug Selbstzerstörung durch Kohlenstoff. Genug davon, dass die Natur wie eine Toilette behandelt wird.“ Der Präsident der Seychellen, Wavel Ramkalawan, erzählte, wie man in seiner Heimat Angst bekommt, wenn es um steigende Meeresspiegel geht. „Wir keuchen schon jetzt ums Überleben“, sagte Ramkalawan.
Das große Ungleichgewicht zwischen reichen Industriestaaten und ärmeren Ländern, die schon jetzt unter den Folgen des Klimawandels leiden, droht die Konferenz zu überschatten. Das 100-Milliarden-Dollar-Versprechen, die jährlich in Entwicklungsländer für den Kampf gegen die Klimakrise fließen sollen, wird erst drei Jahre später erreicht als versprochen. Von der Billion Dollar, die Indiens Premier Narendra Modi für diesen Zweck fordert, ist man weit entfernt. Indien kündigt zumindest an – das ist eine der bisher wenigen Neuigkeiten aus Glasgow –, bis 2070 klimaneutral zu sein. Das Land ist mit sieben Prozent des jährlichen Ausstoßes der weltweit viertgrößte CO2-Emittent. Beim Pro-Kopf-Ausstoß liegt Indien aber deutlich hinter Industrienationen wie Deutschland, von denen Modi deshalb größere Anstrengungen fordert.
Die immerhin verspricht Joe Biden. Der US-Präsident sagt, Glasgow müsse „der Startschuss für ein Jahrzehnt des Ehrgeizes und der Entschlossenheit sein“. Seinen eindringlichen Appell beendet er mit dem Satz: „May God Save The Planet“, möge Gott den Planeten retten. Doch zunächst lastet diese Aufgabe auf den Schultern von hunderten Verhandlern in Glasgow.