Klima-Gipfel: Entwaldungs-Stopp bis 2030

von Redaktion

VON KLAUS RIMPEL

München/Glasgow – Der Gastgeber schwärmte geradezu, als er den ersten großen Erfolg des Klima-Gipfels von Glasgow verkündete: Die Wälder seien „Kathedralen der Natur“ und unverzichtbar für das Überleben der Menschheit, so der britische Premier Boris Johnson. In der Tat ist es bemerkenswert, dass nicht nur reiche Länder wie die USA und die gesamte EU, sondern auch Entwicklungs- und Schwellenländer wie die Demokratische Republik Kongo und Indonesien Teil der Initiative sind, die das Roden der Wälder bis 2030 stoppen wollen. Auch China und Brasilien, wo die illegale Abholzung des Amazonas-Regenwaldes unter dem ultrarechten Präsidenten Jair Bolsonaro neue Rekordwerte erreicht hatte, beteiligen sich am Vorhaben.

Die Unterzeichner-Länder repräsentieren nach britischen Angaben 85 Prozent der weltweiten Waldfläche, also etwa 34 Millionen Quadratkilometer. Konkret verspricht die Initiative nicht nur, dass bis 2030 die Entwaldung gestoppt werden soll, sondern auch, dass bis dahin mindestens 200 Millionen Hektar Wald und andere Ökosysteme wiederhergestellt werden. Für die Wiederaufforstung und den Schutz von indigenen Wald-Bewohnern werden demnach bis 2025 rund 10,3 Milliarden Euro an öffentlichen Geldern mobilisiert. Hinzu kommen 6,2 Milliarden Euro von mehr als 30 privaten Investoren.

Zudem schlossen sich 80 Staaten einer Initiative der EU und der USA zur Methan-Emissionsminderung an. Der Methan-Ausstoß soll bis 2030 um mindestens 30 Prozent im Vergleich zu 2020 sinken. Methan ist eines der stärksten Treibhausgase, es ist etwa 80 Mal klimaschädlicher als CO2. Freigesetzt wird es unter anderem in der Landwirtschaft beim Verdauungsprozess von Rindern sowie in der Erdgas-, Erdöl- und Kohleindustrie. Die jüngste Initiative könnte laut Experten eine starke kurzfristige Wirkung im Kampf gegen die Klimakrise haben.

Wälder gelten als Lunge des Planeten, weil sie klimaschädliche CO2-Emissionen binden. „Allein ein Hektar Wald bindet rund acht Tonnen CO2“, so der agrarpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Albert Stegemann. Ohne den Beitrag der Wälder in Deutschland lägen die deutschen CO2-Gesamtemissionen um rund 14 Prozent höher.

„Die Entwaldung erst 2030 zu stoppen ist viel zu spät“, meint hingegen der Biologe und Buch-Autor („Der Zustand der Welt“) Kurt de Swaaf gegenüber unserer Zeitung. „Bis dahin werden noch gigantische Flächen an Wald gerodet und Unmengen von CO2 in die Atmosphäre gepustet“, so de Swaaf. „Es gibt in Glasgow unglaublich pathetische Reden – aber ob dem tatsächlich Taten folgen? Da bin ich skeptisch“, erklärte der Umwelt-Experte weiter.

Auch die Naturschutzorganisation Greenpeace kritisierte die Glasgower Initiative: Damit werde praktisch grünes Licht gegeben „für ein weiteres Jahrzehnt der Entwaldung“. Ureinwohner forderten zu Recht, dass 80 Prozent des Amazonas bis 2025 geschützt werden müssten. „Das Klima und die Natur können sich diesen Deal nicht leisten“, kritisierte Greenpeace.

Tatsächlich versprach bereits ein UN-Klimatreffen im Jahr 2014 in New York, die Entwaldungsrate bis 2020 zu halbieren und die Entwaldung bis 2030 zu stoppen – seither beschleunigten sich die Rodungen in Regionen wie dem Amazonasgebiet dramatisch.

Trotz all dieser Kritik meinte der deutsche Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth gestern: „Ich bin froh, dass wir jetzt hier diese Zusammenarbeit hinbekommen haben.“ Er betonte jedoch, Geld allein reiche nicht für den Schutz der Wälder: „Man braucht schon auch das bewusste Mittun der Länder, die diese Wälder hüten.“

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