Washington – „Wir werden gewinnen“, hatte US-Präsident Joe Biden noch wenige Stunden vor dem Schließen der Wahllokale im Bundesstaat Virginia prophezeit. Doch am Ende stand für Biden und die Demokraten eine Dreifach-Niederlage – und die bittere Erkenntnis: Bei den Kongress-Zwischenwahlen 2022 drohen der Machtverlust sowohl im Repräsentantenhaus wie auch im Senat.
Biden hatte in Virginia bei den Präsidentschaftswahlen 2020 noch mit zehn Punkten Vorsprung gewonnen. Nun scheint das Kapital verspielt, nachdem sowohl die Posten des Gouverneurs, Vize-Gouverneurs und des Generalstaatsanwaltes künftig bei den Republikanern liegen.
Während die Umfragen bis zuletzt einen knappen Ausgang prognostizierten, hatten die Demokraten in den letzten Tagen noch schwere Geschütze im Wahlkampf aufgefahren. Ex-Präsident Barack Obama wie auch Vizepräsidentin Kamala Harris hatten sich für den Gouverneursbewerber Terry McAuliffe in die Schlacht geworfen, doch auch ihnen gelang kein Umschwung gegen den Sieger des Abends, Glenn Youngkin. Am Ende lag er mit rund drei Prozent vorn.
Die Gründe für den schweren Einbruch werden von Experten sowohl auf regionaler Ebene wie auch im Weißen Haus gesehen. Bidens Zustimmungsquote befindet sich vor allem seit dem Abzugs-chaos in Afghanistan, dem anhaltenden Migrantenansturm an der Südgrenze der USA und der weiter ungelösten Versorgungskrise quer durch die USA im Tiefflug. Das große regionale Thema in Virginia war dazu die Schulpolitik, bei der die Demokraten nicht gut aussahen. Die Partei hatte über Mehrheiten in manchen Gremien versucht, Lehrer zu zwingen, die hoch umstrittene „Critical Race Theory“ (CRT) zum Bestandteil des Lehrplans zu machen.
Konservative in Virgina sahen darin einen Indoktrinierungs-Versuch, bei Elternabenden ging es lautstark zu. Grundlage der von vielen Demokraten favorisierten Rassen-Erziehung ist die These, dass die US-Gesellschaft und die Weißen im Land systematisch Rassismus praktizieren und es sich bei Weißen um eine „privilegierte“ Rasse handelt. Nachdem sich immer mehr Eltern gegen eine Aufnahme von „CRT“ in den Unterricht stark gemacht hatten, wollte die Schulbehörde von Virginia mit einem aus heutiger Sicht unglücklichen Schachzug gegensteuern. Die Behörde hatte das US-Justizministerium aufgefordert, wegen der turbulenten Proteste das FBI mit einer Überwachung jener Eltern zu beauftragen, deren Aussagen manche Schulbeirats-Mitglieder als Drohung interpretiert hatten. Eine Steilvorlage für die Republikaner: Kritische Eltern würden mit „einheimischen Terroristen“ gleichgesetzt, war aus der konservativen Ecke zu hören.
Diese Debatte veranlasste neben Bidens Erscheinungsbild offenbar auch Wechselwähler und einen Teil der Demokraten, sich auf die Seite des republikanischen Bewerbers zu stellen. In Bezirken, wo im November 2020 Biden deutlich gewonnen hatte, lag Youngkin jetzt vorn.
Mit Interesse beobachtet wurden auch die Gouverneurswahlen in New Jersey, wo der demokratische Amtsinhaber Phil Murphy – von 2009 bis 2013 US-Botschafter in Deutschland – hoch favorisiert war. Murphys republikanischer Herausforderer Jack Ciattarelli hielt überraschend gut mit, beide Kandidaten lagen kurz vor Ende der Auszählung (bei Redaktionsschluss noch nicht beendet) Kopf an Kopf. „Trostpflaster“ für die Demokraten war New York. In der Millionen-Metropole setzte sich der Bürgermeister-Kandidat der Demokraten, der Afroamerikaner und frühere Polizist Eric Adams, gegen die Republikaner durch.
Biden rief am späten Abend die Demokraten auf, aus dem Debakel zu lernen und seine billionenschweren Investitionspakete durch den Kongress zu bringen. „Die Menschen wollen, dass wir Dinge bewegen“, sagte er.