München – In New Jersey muss man aufpassen, wie man Dinge ausspricht. Da kann ein „Wie geht’s dir?“ schnell provokant rüberkommen, wenn man die falsche Silbe betont, erzählt Timothy Liston. „Im Jersey-Dialekt kann so etwas plötzlich einen ziemlich heftigen Streit auslösen“, sagt er und lacht. Das ist vielleicht die wichtigste Lektion, die der neue US-Generalkonsul aus seiner Heimatstadt mit nach München genommen hat: „Der Ton macht die Musik“, sagt Liston. „Man muss den richtigen Ton treffen, um auf einer Augenhöhe zu sein. Und ich glaube, dass wir das jetzt mit Deutschland sind.“
Seit Joe Biden Anfang des Jahres sein Amt als neuer US-Präsident angetreten ist, funktioniere die Kommunikation zwischen den USA und Deutschland deutlich besser, sagt er. „Ab Tag 1 der Biden-Administration haben wir mitgeteilt, dass wir für unsere internationalen Herausforderungen Partner brauchen. Wir können das nicht allein.“ Und Liston ist seit Ende Juli in München, um als neuer US-Generalkonsul auch speziell in Bayern diesen Ton anzuschlagen. „Dabei bleiben die Interessen eines Staats unverändert“, gibt er zu. „Egal ob unter Bush, Obama, Trump oder Biden: Unsere Außenpolitik bleibt ziemlich konstant.“
Deutlich wird das beim Streitpunkt Zwei-Prozent-Ziel: Der ehemalige US-Präsident Donald Trump hat immer wieder Druck auf die Nato-Partner gemacht, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben. Vor allem Deutschland galt in seinen Augen als Drückeberger. Liston sagt hingegen, die USA „begrüßen“ eine Verteidigungsausgabe, „die Deutschland mehr Kapazitäten und Fähigkeiten erlaubt“. Gleicher Inhalt, neuer Ton.
Timothy Liston, von Freunden nur „Tim“ genannt, drückt sich stets gewählt aus – dass Deutsch nicht seine Muttersprache ist, stört ihn dabei wenig. Kein Wunder: Der 50-Jährige hat schon in der achten Klasse Deutsch gelernt, sein Highschool-Austauschjahr in Bonn gemacht, später sogar Germanistik studiert. „Die Sprache hat mich immer interessiert, weil ich Verwandtschaft in Deutschland habe.“ Speziell zu Bayern hat er eine besondere Verbindung: In den 90ern machte Liston ein Praktikum im Bundestag – beim Deggendorfer CSU-Abgeordneten Barthl Kalb. Heute ist Liston mit einer Frau aus Zorneding (Landkreis Ebersberg) verheiratet und hat mit ihr zwei Töchter. „Die jüngste ist in München geboren“, sagt er und grinst. „Sie ist also ein Münchner Kindl.“
Liston wollte schon früher immer mal in München leben, erzählt er – die bayerische Kultur hat er bereits ins Herz geschlossen. „Schweinsbraten und Käsespätzle sind bei mir immer willkommen“, sagt er, genauso wie Wandern, Skifahren und Fischen. Seine amerikanischen Traditionen pflegt er aber auch hier: Ob beim Baseballspielen in Baldham, bei einer Rodeo-Messe in Augsburg oder beim heimischen Thanksgiving-Dinner in ein paar Wochen.
Was Liston in seiner Freizeit macht, will er auch als Generalkonsul umsetzen: Bayerisches und Amerikanisches verbinden. „Mir ist es wichtig, unsere wirtschaftliche Beziehung zu stärken“, sagt er. „Und da geht es nicht nur um die Automobilindustrie, sondern auch um innovative Start-ups, Künstliche Intelligenz – wir müssen neue Bereiche in der Wirtschaft entdecken und fördern.“ Deutschland und die USA müssten auch daran arbeiten, aktuelle Probleme „gemeinsam zu bewältigen“: „Klimawandel, Kryptowährungen, Lieferketten, die vor allem in der Pandemie verwundbar waren.“
Seit mehr als einem Jahr fehlt Deutschland mittlerweile ein US-Botschafter – momentan gilt die 71-jährige Amy Gutmann als unumstrittene Kandidatin. Wann sie ihr Amt antritt, ist aber noch unklar – für Bayern ist Liston ohnehin der wichtigste Ansprechpartner. „Ich vergleiche München immer gern mit Austin in Texas“, sagt Liston. „Beide Städte haben eine Filmindustrie, hochrangige Universitäten und innovative Unternehmen.“ Speziell Bayern spiele eine wichtige Rolle in der Handelsbeziehung zu den USA. „Wir haben Silicon Valley, Bayern hat Isar Valley.“
Die Beziehung zwischen Deutschland und den USA basiere auf Vertrauen, meint Liston. „Wir können hier investieren, ohne Angst zu haben, dass geistiges Eigentum gestohlen wird – und umgekehrt.“ Dieses Vertrauen habe sich etwa in der Entwicklung des Impfstoffs von Biontech und Pfizer gezeigt: „Die transatlantische Beziehung fließt jetzt in meinem Blut.“