Berlin/München – Armin Laschet lehnt sich in den Sessel im TV-Studio, schlägt die Beine übereinander, lächelt. Er ist bereit, sich ein bisschen was von der Seele zu reden. Viel sogar. ARD, später Abend, die „Maischberger“-Talkshow: Laschet blickt auf sein unglücklichstes Jahr zurück, in dem er politisch fast alles verlor. Er benennt Schuldige: sich und Söder.
Es ist Laschets erstes großes TV-Interview nach der vergeigten Wahl. Er sieht noch gequält aus nach diesem körperlich und psychisch zehrenden Wahlkampf. „Ich habe gegeben, was ich konnte“, sagt der 60-Jährige. „Aber es gab auch sehr, sehr viele Einflüsse.“ Als Einfluss, das macht er bald klar, sieht er in erster Linie den CSU-Vorsitzenden. Kräftiger denn je beschwert sich Laschet in seiner Rückschau, Markus Söder habe seinem Wahlkampf mit Querschüssen geschadet. Es geht zum Beispiel um die Warnung Söders, der „Schlafwagen“ führe nicht ins Kanzleramt – ein brutaler Satz, den der Bayer im Juli bei einer CSU-Klausur am Tegernsee zu den Journalisten sagte. Söder wollte damit mehr Kampf und mehr Inhalt vom Kanzlerkandidaten einfordern.
Laschet schildert eher ein monatelanges Zerwürfnis. Immer wieder habe er in München angerufen. „Markus, lass es. Markus, warum sagst du jetzt wieder das?“ Die Antwort seien nur Ausreden gewesen, falsch zitiert worden zu sein. „Es waren immer andere“, sagt Laschet mit bittersüßem Lächeln. Warum Söder das getan habe? „Ich weiß es nicht.“ Wie ihr Verhältnis sei? „Es war lange Zeit sehr gut, und ich habe ihm wirklich viel geglaubt.“
Bittere Worte in einer bitteren Lage. Für Laschet endete das Abenteuer Kanzlerkandidatur im Fiasko: Die Union wird aus der Regierung fliegen, er verliert den CDU-Vorsitz, vom Amt als NRW-Ministerpräsident ist er zurückgetreten. Ein Sitz im Bundestag ist ihm geblieben, mutmaßlich als Hinterbänkler.
Es ist ihm ein Bedürfnis, noch mal auszuteilen. Er erwischt Söder in einer sensiblen Phase. In der CSU murren einige über ihren Parteichef. Sogar Horst Seehofer brach dieser Tage sein Schweigegelübde über Söder und spottete, mit ihm als Kanzlerkandidaten wäre es auch nicht besser gelaufen. Die Umfragen für die CSU sind im Keller, Söder steuert auf ein unangenehmes 2022 zu, wenn sich das nicht ändert.
Er schweigt nun zu Laschet. Die Lage der CDU sei schwierig genug, murmelt einer in seinem Umfeld. Aus der CSU-Spitze merkt Landesgruppenchef Alexander Dobrindt kühl an, er würde sich „da etwas mehr Selbsterkenntnis wünschen“ bei Laschet. „Das Wahljahr 2021 lässt sich nicht einfach uminterpretieren“, sagt Dobrindt.
Ein bisschen Selbsterkenntnis schimmert immerhin durch. Laschet lädt in der ARD eine Teilschuld auf seine eigenen Schultern. Der scheidende CDU-Chef spricht über Schlüsselszenen auf dem Weg zur Niederlage, etwa den Lacher bei einem Auftritt im Flutgebiet. „Das darf nicht sein“, sagt Laschet mehrfach, „es ärgert mich, es war falsch.“ Oder der Moment, als er einer Journalistin vor laufender Kamera nicht aufzählen konnte, was die wichtigsten drei Punkte gleich nach einer Wahl für ihn als Kanzler wären: „Das darf nicht passieren“, sagt er heute.
Die Selbsterkenntnis hat aber Grenzen. Laschet sagt, inhaltlich würde er seinen Wahlkampf „wieder so machen“. Ach ja, und noch eine Gemeinheit hat er für Söder übrig. Einen „anderen Superstar, der gewonnen hätte, den sehe ich nicht“. Seehofer habe sich hinreichend zu Söder geäußert, sagt er, „und der kennt ihn ja am besten“.
CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER