Rückkehr zu den Gratis-Tests?

von Redaktion

VON STEFAN REICH

München – Im März waren sie plötzlich da. Zu Tausenden eröffneten Testzentren – in verwaisten Bars, leer stehenden Diskotheken, sogar in geschlossenen Bordellen. Das Frühjahr und den Sommer über waren kostenlose Corona-Schnelltests fast an jeder Ecke zu haben. Bereitwillig ließen sich viele Menschen für ein sicheres Gefühl Wattestäbchen in Nase oder Rachen schieben – etwa vor dem Familientreffen oder dem Geschäftstermin. Die Bundesregierung zahlte.

So schnell wie sie gekommen waren, verschwanden die Testzentren auch wieder. Seit 11. Oktober sind Corona-Tests für die meisten Menschen nicht mehr kostenlos. Die Nachfrage brach ab, der Betrieb der Testzentren rechnete sich nicht mehr. Angesichts des Anstiegs der Corona-Infektionen mehren sich die Stimmen, die kostenlosen Tests wieder einzuführen.

Mit Grünen-Co-Chef Robert Habeck stellt sich einer, der in der nächsten Bundesregierung eine gewichtige Stimme haben wird, an die Spitze der Bewegung. „Es war damals schon ein Fehler, sie auszusetzen“, sagte er am Donnerstag über die vom Bund finanzierten Bürgertests. „Es war eine Maßnahme, um die Nicht-Geimpften negativ zu motivieren.“ Die Regierung müsse sich nun ihre Fehleinschätzung eingestehen und schnellstmöglich zu kostenfreien Corona-Tests zurückkehren, monierte Bayerns FDP-Landeschef Daniel Föst.

Seit dem Ende der Bürgertests werden für Selbstzahler rund 15 Euro je Schnelltest fällig. Der Freistaat beendete im Oktober auch das Angebot an seine Bürger, jederzeit einen der zuverlässigeren PCR-Tests gratis zu erhalten. Bis zu 900 000 dieser Jedermann-PCR-Tests machten die Bayern monatlich in kommunalen Testzentren und Arztpraxen. 51 Euro kostete jeder Test den Freistaat. Selbstzahler-Preis derzeit: 50 bis 130 Euro.

Die drastische Einschränkung der kostenlosen Tests fiel zusammen mit der Testpflicht für Ungeimpfte als Zugangsvoraussetzung zu vielen Veranstaltungen, den sogenannten 3G-Regelungen. Das Kalkül: Wer für den fälligen Corona-Test zahlen muss, um Fußballspiele, Konzerte oder nur den Friseur zu besuchen, lasse sich vielleicht doch noch impfen. Man hielt es auch für zunehmend schwer vertretbar, der Allgemeinheit die hohen Testkosten für Impfverweigerer zuzumuten. Allein für die Bürgertests gab der Bund zwischen März und Oktober etwa 3,5 Milliarden Euro aus.

Kritik an dem Strategiewechsel gab es dennoch von Beginn an. „Ohne Gratistests werden wir weniger Testergebnisse bekommen, mehr Infektionen werden unerkannt bleiben“, sagte etwa der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen kurz vor Ende der Bürgertests. „Wir laufen in eine Schattenpandemie.“ Auch Virologen warnten.

Damals lag die Sieben-Tage-Inzidenz bundesweit bei 60 Fällen pro 100 000 Einwohner. Gestern lag sie bei 154,5 – in Teilen Bayerns über 500. Welchen Anteil das reduzierte Testaufkommen daran hat, ist schwerlich zu beziffern. Der erhoffte Anstieg der Impfquote stellte sich jedenfalls kaum ein. In Bayern kamen seit 11. Oktober gerade mal 150 000 Erstgeimpfte dazu. Der Anteil der mindestens einmal Geimpften an der Bevölkerung stieg damit um 1,2 Prozentpunkte, auf jetzt 66,5 Prozent.

Im Landtag wurden Anträge von FDP, AfD und Grünen zur Wiedereinführung kostenloser Tests von CSU, Freien Wählern und SPD in der vergangenen Woche noch überstimmt. Inzwischen würde sich Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nicht mehr gegen kostenlose Tests sperren – wenn sie der Bund zahlt, angesichts der hohen Millionensummen ein wichtiger Faktor. „Auf Bundesebene wollen wir diskutiert haben, die Tests für Geimpfte kostenlos zu machen“, sagt Söder. Er registriert „zunehmendes Interesse“ und hofft auf zusätzlichen Schutz durch Tests.

Geimpfte tragen, wenn auch in geringerem Maße, als Überträger zum Infektionsgeschehen bei. Inzwischen lässt auch der Impfschutz, gerade bei den zuerst geimpften Älteren, teils schon nach. Die Zahl der Auffrischungsimpfungen ist mit bundesweit 2,3 Millionen noch niedrig.

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