„Ich fragte mich: Habe ich einen Skandal?“

von Redaktion

München – Einmal Politik und zurück: Peter R. Neumann, 46, hat es erlebt. Der Terrorismus-Forscher aus London war Teil des achtköpfigen Expertenteams von Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet und wäre bei einem Wahlsieg bereit gewesen, nach Berlin zu gehen. Im Interview spricht er über 30 wilde Tage, verpuffte Hoffnungen – und einen gekränkten CDU-Außenpolitiker.

Herr Neumann, schmerzt es, den Ampel-Partnern beim Verhandeln zusehen zu müssen?

Überhaupt nicht. Ich bin ja kein Berufspolitiker, mein Leben hängt nicht von Wahlergebnissen ab. Ich mache jetzt einfach dort weiter, wo ich Ende August aufgehört habe.

Ist das so einfach? Abhaken, weitermachen?

In gewisser Weise ja. Zwei Tage nach der Wahl habe ich meinen Computer wieder angemacht und die Datei des Buches geöffnet, an dem ich gerade schreibe. Der Rechner sagte mir, dass ich das Dokument vor genau 30 Tagen zuletzt offen hatte. Da war mir klar, dass der Wahlkampf nur eine Unterbrechung war.

Was haben Sie bei Ihrer 30- Tage-Exkursion über das Biotop Politik gelernt?

Der Wahlkampf war natürlich hart, und ich habe jetzt noch größeren Respekt vor dem, was Politiker aushalten, physisch und psychisch. Vieles hat mich bedrückt. Ich habe gemerkt, wie hart Leute miteinander umgehen und wie unwichtig Inhalte sind. Auch in Gesprächen mit Vertretern anderer Parteien ging es immer nur um das „horse race“, wie man im Englischen sagt: Wer ist gerade vorne, welche Spielchen werden gespielt? Inhalte dienen allenfalls dazu, dem Gegner eins überzuziehen.

Das klingt ernüchtert. War es nur schlimm?

Natürlich war es auch sehr spannend, das Geschäft von innen zu erleben. Zu sehen, wie viel von dem, was durchgeplant scheint, improvisiert ist. Hinter den Kulissen ist, wie überall im Leben, oft Chaos. Das hat mir geholfen, Politik noch besser zu verstehen.

Sie selbst sind in den sozialen Medien scharf angegangen worden. Waren Sie darauf vorbereitet?

Abstrakt schon, in der Praxis nicht. In der Sekunde, in der ich auch nur milde Kritik an politischen Gegnern übte, hatte ich gleich 200 Leute gegen mich, Minimum. Die Angriffe waren hart und teils einschüchternd und das war auch der Sinn der Sache. Schade, dass der Diskurs dort angelangt ist.

Plötzlich waren Sie in Laschets Expertenteam. Hatten Sie sich irgendetwas vorgenommen?

Das wichtigste, was ich wollte, war, nicht der Grund dafür zu sein, dass Armin Laschet verliert. Als das Angebot kam, habe ich mich erst mal gefragt: Habe ich einen Skandal, der rauskommen könnte?

Und?

Natürlich forschten Journalisten nach. Es gab Anfragen an meiner Uni, etwa zu meiner Doktorarbeit. Ein Journalist wollte mir anhängen, dass ich in Deutschland keine Steuern zahle, was in den sozialen Medien Riesenaufregung auslöste, als wäre ich irgendein Millionär, der sich in die Schweiz abgesetzt hat. Dabei ist die Sache doch klar: Ich lebe seit 20 Jahren in Großbritannien, dort zahle ich auch Steuern.

Das Expertenteam fand öffentlich kaum statt. Wo lag das Problem?

Na ja, wir waren kein Schattenkabinett, das ständig zusammen auftritt und im Stillen die Zukunft Deutschlands plant. So war es auch nicht gedacht. Wir waren acht Experten und Fachpolitiker, die Sofortprogramme in ihrem Bereich aufgelegt haben. Wir alle hätten in einer Bundesregierung unter Laschet eine Rolle gespielt, das war das Versprechen.

Hatten Sie sich mental schon im Innenministerium eingerichtet?

Das wurde ich tausendmal gefragt, aber das Innenministerium stand für mich nie zur Debatte. Mein Thema war die Vernetzung von innerer und äußerer Sicherheit. Die Idee war, dass ich nationaler Sicherheitsberater werde. Die Funktion gibt es noch nicht, sie ist aber dringend nötig, weil unsere Außen- und Sicherheitspolitik sehr schlecht koordiniert ist. Für mich wäre so ein Posten jedenfalls sehr attraktiv gewesen.

Norbert Röttgen kritisierte unlängst ihre Berufung ins Team: Sicherheits-Expertise müsse die Union liefern, nicht ein „Professor aus London“.

Das steht jetzt sogar in meinem Wikipedia-Eintrag, auch Armin Laschet hat mich schon im Scherz den „Professor aus London“ genannt. Im Ernst: Auch deshalb hat die Parteizentrale gezögert, ein Expertenteam aufzustellen. So etwas produziert Gewinner, aber auch Verlierer, die enttäuscht sind, weil sie selbst nicht dabei sind. Ich finde, das Zukunftsteam war trotzdem eine gute Idee, denn es zeigte, wie die CDU sein sollte: jünger, weiblicher und diverser. Interessiert an Inhalten und offen gegenüber Experten.

Interview: Marcus Mäckler

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