Boris Johnson unter Dauerfeuer

von Redaktion

Korruptionsvorwürfe, Freunderlwirtschaft, Luxusurlaube: Der Briten-Premier ist ernstlich unter Druck geraten

London – „Schändlich, falsch und unwürdig“: Mit diesen Worten beschrieb der ehemalige konservative Premierminister John Major das Verhalten der Regierung in Großbritannien. Seit vergangener Woche gibt es in britischen Medien fast nur noch ein Thema: Die konservative Tory-Partei und ihr Verhältnis zu Demokratie und Rechtsstaat. Es geht um mehr oder minder offensichtliche Korruption, den Missbrauch der parlamentarischen Mehrheit, um Regeln zum eigenen Vorteil zu ändern, und mangelnden Respekt vor dem Gesetz.

Unter Boris Johnson hatte man sich an diese Vorwürfe beinahe schon gewöhnt. Nichts schien dem blonden Politiker etwas anhaben zu können. Doch das hat sich nun womöglich geändert. Das Fass zum Überlaufen brachte Johnsons Versuch, einen korrupten Abgeordneten vor Strafe zu schützen. Owen Paterson sollte wegen bezahltem Lobbyismus zu einer 30-tägigen Suspendierung vom Parlament verdonnert werden. Doch der Premier wollte das nicht hinnehmen und beschloss, stattdessen das gesamte Disziplinarverfahren für Abgeordnete umzuwerfen. Die Opposition wurde einfach überstimmt.

Doch der Plan hatte einen Fehler: Die Oppositionsparteien weigerten sich schlicht, einem Gremium mit Tory-Mehrheit beizutreten, das die neuen Regeln ausgestalten sollte. Ganz ohne Feigenblatt ging es dann doch nicht – die Regierung musste eine Kehrtwende hinlegen. Paterson legte sein Mandat nieder. Doch die Debatte nahm an Fahrt auf, auch wenn Umweltminister George Eustice sie als Sturm im Wasserglas abtat.

Teil des Problems ist, dass es in Großbritannien keine geschriebene Verfassung gibt. Mit einer einfachen Mehrheit könnten prinzipiell die Fundamente von Demokratie und Rechtsstaat ausgehebelt werden. Dass dies nicht geschieht, ist dem Prinzip Hoffnung überlassen – man nennt das auch das „good-chap-Modell“. Dahinter steckt die Annahme, dass sich die Mehrheit der Entscheidungsträger immer für die Prinzipien von Rechtsstaat und Demokratie einsetzen wird. Doch sind Boris Johnson seine Konservativen noch „good chaps“ (gute Kerle)? Daran gibt es Zweifel.

„Seine Strategie ist, die Regeln zu entwerten, damit sie für niemanden mehr eine Rolle spielen“, sagte Oppositionschef Keir Starmer bei einer außerordentlichen Debatte zum Fall Paterson am Montag über den Premier. Johnson entzog sich der Kritik, indem er dem Parlament fernblieb.

Tatsächlich bietet der konservative Parteichef auch selbst viel Angriffsfläche, wenn es um die Einhaltung von Regeln und Verhaltensstandards geht. So machte Johnson immer wieder Schlagzeilen mit unwahren Behauptungen. Beispielsweise verkündete er kurz nach dem Abschluss des Brexit-Abkommens, es werde in dessen Folge keine Warenkontrollen zwischen Großbritannien und Nordirland geben – wohl wissend, dass er genau das in dem Vertrag ausgehandelt hatte. Auch wenn es darum geht, seinen Hang zu einem luxuriösen Lebensstil auszuleben, geniert sich Johnson nicht. Mehrfach ließ er sich Luxus-Urlaube von Freunden finanzieren.

CHRISTOPH MEYER

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