München – Kliniken gehören zu den Orten, an denen der Corona-Status von Besuchern und Patienten besonders streng kontrolliert wird. Unentdeckte Infektionen im Haus will man tunlichst vermeiden. Einem Münchner Klinikarzt drängte sich kürzlich beim Blick in den Impfpass eines Patienten jedoch der Verdacht auf, dass gerade Impfnachweise nicht immer die gewünschte Aussagekraft haben könnten.
In dem gelben Heftchen des Mannes war eine Corona-Impfung attestiert, auch mit Stempel eines Hausarztes – aber mit einem Datum, zu dem Hausärzte gar nicht impften. Der Klinikarzt, der anonym bleiben will, ist sich sicher: „Das war eine Fälschung.“ Ein Problem, das auch Polizei und Politik vermehrt beschäftigt. Der Klinikarzt versuchte, die Praxis, die laut Stempel die Impfung vorgenommen hatte, ausfindig zu machen. Sie existiert offenbar nicht.
Kein Einzelfall, glaubt er. „Ich bin mir sicher, dass es viele angebliche Impfdurchbrüche gibt bei Patienten, die in Wahrheit gar nicht geimpft sind“, sagt der Arzt. Gleichzeitig ist unklar, ob die Nutzer gefälschter Impfnachweise überhaupt Strafen fürchten müssen. Bislang sei es nicht strafbar, in Kliniken falsche Impfnachweise vorzulegen, klagt der Klinikarzt.
Die ersten Impfpass-Fälschungen tauchten im Frühjahr auf. Jetzt scheinen 2G und 3G die Nachfrage anzukurbeln. Mittlerweile untersucht die Polizei in Bayern laut Landeskriminalamt (LKA) über 600 Fälle. Aber tatsächlich sind wichtige juristische Fragen weiter ungeklärt.
Der Weg zum falschen Impfnachweis scheint einfach: Man besorgt sich Aufkleber, die aussehen wie die, die eigentlich die impfenden Ärzte in den Impfpass kleben, platziert sie im eigenen Impfpass und drückt den Stempel einer ausgedachten oder auch echten Arztpraxis drauf. Oder man besorgt sich gleich eine fertige Impfpass-Fälschung. Die ist über das Internet oder Telegram-Gruppen für 150 Euro zu haben.
Gegen Vorlage des gelben Passes und des Personalausweises erhält man in Apotheken das europäische Impfzertifikat mit dem QR-Code, der sich in die Cov-Pass-App oder die Corona-Warn-App einlesen lässt. Ist ein Impfdokument einmal so digitalisiert, ist eine Fälschung kaum noch nachzuweisen.
Es gibt zwar Indizien, die auf Fälschungen hinweisen. „Und es gibt aufmerksame Apotheker, die auch hinschauen“, sagt ein LKA-Sprecher. Doch selbst, wenn eine Fälschung auffliegt, sind die juristischen Konsequenzen unklar. Urteile zur Nutzung gefälschter Impfpässe gibt es noch nicht. Das Landgericht Osnabrück stellte kürzlich dennoch eine Strafbarkeitslücke fest und bestätigte eine Entscheidung des Osnabrücker Amtsgerichtes.
Die Staatsanwaltschaft wollte sich dort die Beschlagnahme eines gefälschten Impfpasses absegnen lassen. Das Amtsgericht wies den Antrag ab. Es sei nur strafbar, falsche Gesundheitszeugnisse bei Behörden oder Versicherungen vorzulegen, nicht aber, wie im konkreten Fall, in einer Apotheke.
Bislang ermittelt die Polizei in solchen Fällen dennoch. Auch bei der Staatsanwaltschaft München I geht man „im Moment von einer Strafbarkeit aus“, wie eine Sprecherin unserer Zeitung sagte. Impfpass-Fälschung ist strafrechtlich auch Urkundenfälschung. Allerdings meinen viele Juristen, die spezielleren Paragrafen zu Gesundheitszeugnissen hätten hier Sperrwirkung.
Um das Problem zu lösen, wollen CDU und CSU morgen einen Gesetzentwurf zur Anpassung des Strafrechts einbringen. Wer Impfpässe fälsche, gefährde die Gesundheit von Menschen, sagt der Abgeordnete Jan-Marco Kunzcak. „Das muss hart bestraft werden“. Auch die Ampel-Koalition hat einen Gesetzentwurf angekündigt. S. REICH