Lukaschenko verweist auf Putins Atomwaffen

von Redaktion

VON DORIS HEIMANN

Kuznica – Minutenlang steht der Helikopter über dem Waldstück auf der Stelle, das Klopfen seiner Rotorblätter füllt die Luft. Unten am Boden glitzert in der Sonne der provisorische Stacheldrahtzaun, der Polens Grenze zu Belarus schützen soll. Davor, auf der polnischen Seite, stehen grüne Jeeps und Militärlaster. Dahinter, auf dem Gebiet von Belarus, stehen Menschen, die in die EU wollen. Zelte sind zu erkennen, zwischen Kiefern steigt der Rauch von Lagerfeuern auf. Näher heran an diese Szene kommt man nicht. Polen hat in der Grenzregion rund um Kuznica den Ausnahmezustand verhängt.

Die Stimmung ist angespannt rund um Kuznica. Am Montag haben größere Gruppen von Migranten auf der belarussischen Seite vergeblich versucht, die Zaunanlage zu durchbrechen. Polnische Grenzer und Soldaten stoppten sie mit Tränengas. Nun kampieren die Flüchtlinge im Wald. Zwischen 3000 und 4000 sollen es in dem Gebiet sein, sagen polnische Behörden. Um auf einen erneuten Durchbruchsversuch vorbereitet zu sein, unterstützen zehntausend Soldaten die polnischen Grenzer. Das verschärft die Lage auf der politischen Ebene weiter.

„Besondere Besorgnis lösen die Tatsachen einer Verlegung von Streitkräften Polens an die Grenze aus“, ließ der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko nach einem Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin mitteilen. Dann drohte er indirekt mit einer militärischen Eskalation. „Falls wir hier, was Gott behüte, auch nur den geringsten Fehler begehen, wird das sofort Russland mit hineinziehen, die größte Atommacht der Welt“, sagte der Autokrat am Abend in einem Interview und fügte hinzu, er sei kein Wahnsinniger. Er wisse, wohin das führen würde. Zugleich machte Lukaschenko international organisierte Schleusernetzwerke für die Tausenden Migranten an der Grenze zu Polen verantwortlich. Die Flüchtlinge nutzten diese Strukturen und bezahlten viel Geld, um ein besseres Leben im Westen zu finden, sagte Lukaschenko. „Das sind ja keine armen Leute, die kommen“, meinte er.

Die Regierung in Warschau und die EU werfen Lukaschenko dagegen vor, Menschen aus Krisenregionen wie Afghanistan und dem Irak einfliegen zu lassen, um sie in die EU zu schleusen – als Reaktion auf die Sanktionen wegen der Niederschlagung der Proteste nach der vermutlich gefälschten Präsidentschaftswahl. Die EU geht auch einer möglichen Verwicklung Russlands in den Flüchtlingskonflikt nach. Brüssel habe Moskau wegen Flügen von Flüchtlingen nach Minsk „auf dem Radar“, sagte ein EU-Kommissionssprecher am Dienstag.

Auch die aktuelle Situation in Kuznica sei das Werk von Lukaschenkos Regime, zeigt sich Polens Präsident Andrzej Duda überzeugt. Belarus habe die Menschen gezielt an diese Stelle der Grenze gebracht. Dies ergebe sich aus Videomaterial. Den Grenzübergang in Kuznica hält Polen jetzt geschlossen. Auf der Landstraße, die von dem Ort Sokolka Richtung Osten führt, ist drei Kilometer vor Kuznica Schluss. Polizisten stoppen jedes Fahrzeug, kontrollieren die Insassen, schauen in Laderäume. Nur Ortsansässige dürfen passieren. Der Lkw-Verkehr muss über lange Umwege ausweichen auf andere Grenzübergänge. Hilfe von Nato und der EU-Grenzschutzagentur Frontex hat Warschau bisher nicht erbeten. Dazu kommt aus der CSU Kritik. „Ich habe kein Verständnis dafür, dass Polen nicht schon längst Frontex an die Grenze geholt hat“, sagte der Europaabgeordnete Markus Ferber. „ Wir können und dürfen die Grenze zu Belarus nicht alleine dem polnischen Grenzschutz überlassen.“

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