Freie Wähler stellen Aiwanger infrage

von Redaktion

„Erst glaubwürdig, wenn er geimpft ist“: Deutliche Kritik aus eigener Landtagsfraktion

München – Der Nachsatz wirkt ganz harmlos. Ach ja, teilen die Freien Wähler mit, die Runde ihrer Abgeordneten mit Journalisten demnächst finde unter „2G“-Regeln statt. Geimpfte und Genesene also, wie es allmählich überall Standard wird. Nach kurzem Nachdenken fällt auf: Einer ist dann ausgeschlossen vom Presseabend – der Abgeordnete, Minister, Vize-Ministerpräsident, Landesvorsitzende und Bundesvorsitzende Hubert Aiwanger, nicht geimpft.

Kein Zufall. Die Freien Wähler verlieren die Geduld mit dem Mann an ihrer Spitze. Seit Monaten wabern die Diskussionen um seinen Impfstatus. Im Bundestagswahlkampf sprach er sehr gern darüber, warb damit um Impfgegner, das Wahlergebnis blieb aber mau. Statt dessen rumort es an der Parteibasis. Viele Mitglieder oder Stammwähler sind bürgerlich und bodenständig, haben viel Verständnis fürs Impfen und wollen möglichst bald raus aus der Pandemie.

Erstmals gibt es nun auch öffentlich eine scharfe Attacke aus den eigenen Reihen in der Landespolitik. Der Parlamentarische Geschäftsführer im Landtag, Fabian Mehring, fordert Aiwanger auf, sich jetzt impfen zu lassen – und stellt ansonsten seine Eignung für den Ministerposten infrage. Aiwangers Ruf nach Normalität sei „erst dann glaubwürdig, wenn er selbst geimpft ist“, sagte Mehring der „Augsburger Allgemeinen“. Es werde für ihn „schwierig werden, sein öffentliches Amt auszuüben, wenn er durch die von ihm selbst beschlossene 2G-Regel von der Öffentlichkeit ausgeschlossen ist.“ In Partei und Fraktion denke „die überwältigende Mehrheit“ so.

Nun hat sich Mehring in der Corona-Krise auch nicht immer als trittsicher erwiesen. Noch vor zwölf Tagen trötete er entrüstet, es sei „falsch“, Maßnahmen zu verschärfen, die bayerische Corona-Ampel stehe doch auf Grün. Eine Aussage, die nicht gut alterte. Andererseits stellt sich Mehring nun, wo jeder die Klinik-Lage und die explodierenden Inzidenzen sieht, sehr klar an die Spitze der Bewegung für mehr Sicherheit. Jetzt wirbt er für 2G, fürs Impfen und sogar für eine Impfpflicht in medizinischen Berufen. Jeder Polizist müsse einen Sporttest machen, jeder Lokführer einen Gesundheitstest, sagt der 32-Jährige. Natürlich führt dann auch an einer Impfpflicht für Pflegeberufe und medizinisches Personal „kein Weg vorbei“.

Was Aiwanger nun plant, ist unbekannt. Auf Anfragen reagiert er nicht. Pressetermine hat er zuletzt an seinen Staatssekretär delegiert. Ins Kabinett darf er zwar, mit PCR-Test ist das für den einzigen ungeimpften Minister möglich. Bei der Pressekonferenz kann er aber nicht mehr in Person teilnehmen. Für diese Termine gilt ebenfalls „2G“. So ist das bei vielen Auftritten – beim Wirtschaftsbeirat am Montag zum Beispiel hat der Wirtschaftsminister als Redner zugesagt, darf aber nun doch nicht in den Saal.

Intern heißt es: Ja, es sei denkbar, dass Aiwanger noch umschwenke, sich impfen lasse – eher als dass er hinwerfe. Außer ihm gibt es wohl nur noch eine Ungeimpfte in der Fraktion. Vorerst hat der Vize-Ministerpräsident Zeit, darüber nachzudenken: Er ist seit einigen Tagen zu Hause, angeblich negativ getestet, aber schwer erkältet.

CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

Artikel 1 von 11