Es liegt in der menschlichen Natur, nach einer überstandenen Notlage den Blick nach vorne zu richten und die schlimmen Momente zu verdrängen. Doch die Corona-Pandemie sollte zu jenen Erfahrungen gehören, die über den Tag hinaus wirken. Corona hat die Achillesfersen unserer Lebensweise freigelegt: in der Daseinsvorsorge, in unserem Wirtschaften und unserem Denken.
Etwa im Gesundheitswesen. Angesichts aktueller Debatten über Triage-Notlagen auf den Intensivstationen und dem eklatanten Mangel an Pflegepersonal sollten wir den Maßstab unserer Klinikversorgung überdenken. Krankenhäuser müssen wieder in erster Linie der Gesundheit dienen, nicht der Gewinnmaximierung. Da wurde in der Vergangenheit in neoliberalem Überschwang über das vernünftige Ziel des gesunden Wirtschaftens hinausgeschossen. Auch in unserem Wirtschaftssystem sollte wieder mehr Paracelsus gelten: Die Dosis macht das Gift. Die Globalisierung hat viele Vorteile. Aber die Auslagerung ganzer Branchen auf Produktionsstandorte am anderen Ende der Welt – siehe Arzneimittel oder Chips – muss auf ein vertretbares Maß zurückgeführt werden. Im vereinten Europa sollte der Gedanke an ein Stück Autarkie in existenziellen Fragen wieder wichtiger werden.
Alexander.Weber@ovb.net