„Die Bundeswehr muss Bayerns Kliniken helfen“

von Redaktion

Grünen-Politiker Andreas Krahl fordert den Einsatz von Soldaten in der Patientenversorgung

Herr Krahl, Sie sitzen für die Grünen im Landtag, sind aber auch gelernter Intensivpfleger. Wann hatten Sie zuletzt Kontakt zu Ihren ehemaligen Kollegen?

Ich habe laufend Kontakt zu Intensivpflegern, weil sich in den Berufsjahren Freundschaften entwickelt haben, die nie abgerissen sind.

Welche Berichte zur Lage in den Intensivstationen erreichen Sie?

Die Situation ist dramatischer denn je in dieser Pandemie. Wir haben eine gnadenlose Überbelastung auf den Intensivstationen. Dazu kommen Krankheitsfälle innerhalb des Kollegiums. Das heißt, die Kollegen können ihre freien Tage nicht nehmen und können nur noch die Aufgaben erledigen, die elementar wichtig sind. Anders schaffen sie es nicht, die Masse an Patienten zu versorgen – und das, obwohl die Höchstbelastung wohl erst noch auf uns zukommt. Dazu muss man übrigens klar sagen: Zwei Drittel der Intensivpatienten stammen aus der eigentlich ja viel kleineren Gruppe der Ungeimpften. Und bei dem Drittel der Geimpften handelt es sich oft um Menschen, die ohne diesen Schutz wahrscheinlich nicht auf der Intensivstation wären, sondern schon verstorben.

Als in früheren Corona-Wellen Intensivpfleger fehlten, kehrten Sie selbst zwischenzeitlich zurück in Ihren alten Job. Werden Sie das auch diesmal wieder tun?

Ja. Da sehe ich mich in der Pflicht – meinen Kolleginnen und Kollegen gegenüber und natürlich angesichts der dramatischen Situation. Ich werde während der Weihnachtspause im Landtag wieder auf der Intensivstation des Klinikums Garmisch-Partenkirchen arbeiten.

Bei Ihrem ersten Unterstützungs-Einsatz, im April 2020, bezeichneten Sie die Stimmung unter den Pflegekräften als „gut, aber angespannt“. Was hat sich seither verändert?

Die Stimmung auf den Intensivstationen ist heute nicht mehr gut. Sie hat sich schon im Laufe des vergangenen Jahres frappierend verändert. Das kriegt man viel deutlicher mit, wenn man Teil eines Teams ist. Zum Anfang der Pandemie gab es eine Art Aufbruchstimmung, weil die Pflege plötzlich als systemrelevant galt und zeigen wollte, was sie kann. Als die Politik diesen Fokus wieder verloren hat und der stellvertretende Ministerpräsident Hubert Aiwanger plötzlich auch Berufsgruppen wie Schausteller für systemrelevant erklärt hat, ist daraus Resignation geworden.

Die Pflegekräfte sind enttäuscht?

Ja. Denn sie stehen an vorderster Front und müssen es am Ende immer ausbaden. Dieser Verantwortung sind sich die Kollegen auch bewusst. Aber die Rahmenbedingungen müssen stimmen. Und dabei geht es nicht nur um Geld. Wenn die Krankenhausampel auf Rot springt, fordert Landkreistagspräsident Christian Bernreiter (CSU), die Personaluntergrenzen auf den Intensivstationen auszusetzen. Das heißt auf gut Deutsch: Ja, wir wissen, dass das System überlastet ist, aber ihr Pflegekräfte buckelt euch jetzt krumm, bis wir die Lage wieder unter Kontrolle haben.

Was müsste jetzt aus Ihrer Sicht passieren?

Gott sei Dank gilt in Bayern jetzt wieder der Katastrophenfall – wenn auch viel zu spät. Das ermöglicht Patienten-Verlegungen in andere Regionen, um in Hotspots wie Niederbayern oder Mittelfranken wieder Intensivbetten freizubekommen, damit dort auch noch Schlaganfälle oder Unfallopfer versorgt werden können. Zudem hoffe ich inständig, dass die Staatsregierung sich dazu durchringt, um Amtshilfe zu bitten und als Pflegekräfte ausgebildete Soldaten einzusetzen. Die Bundeswehr muss Bayerns Kliniken helfen.

Interview: Sebastian Horsch

Artikel 7 von 11