Brüssel – Härte gegen Schleuser und Erpresser: Die Außenminister der EU-Staaten haben ein neues Sanktionsinstrument gegen die Schleusung von Migranten nach Belarus beschlossen. Die Europäische Union werde nun Personen und Einrichtungen ins Visier nehmen können, die einen Beitrag dazu leisteten, dass das belarussische Regime Menschen für politische Zwecke instrumentalisiere, teilte der Rat mit.
Am Abend telefonierte Kanzlerin Angela Merkel mit dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko. Nach Angaben ihres Regierungssprechers ging es um „die schwierige Situation an der Grenze zwischen Belarus und der EU“. Laut belarussischem Staatsfernsehen sei besprochen worden, wie eine Eskalation an der Grenze verhindert werden könne. Es sei zudem um eine humanitäre Unterstützung von festsitzenden Migranten gegangen.
Parallel telefonierte der französische Präsident Emmanuel Macron mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Beide plädierten für eine Deeskalation der Lage an der polnisch-belarussischen Grenze. Putin kritisierte nach Angaben des Kremls das „harte Vorgehen“ des polnischen Grenzschutzes.
An der EU-Außengrenze zwischen Polen und Belarus kommen auf der belarussischen Seite des Grenzübergangs Kuznica immer mehr Migranten zusammen. Nach Angaben der Polizei seien dort mittlerweile rund 3500 Menschen versammelt, schrieb der Sprecher des Koordinators der Geheimdienste, Stanislaw Zaryn, auf Twitter. Luftaufnahmen zeigen eine große Menschenmenge am geschlossenen Grenzübergang und ein zerstörtes Zeltlager in der Nähe. Eine Sprecherin des polnischen Grenzschutzes sagte, man rechne mit einem Versuch, die Grenze mit Gewalt zu überwinden.
Die EU wirft Lukaschenko vor, in organisierter Form Flüchtlinge aus Krisenregionen an die EU-Außengrenze zu bringen. Vermutet wird, dass er sich damit für Sanktionen rächen will.
Konkret soll das neue Sanktionsinstrument gegen die staatliche belarussische Fluggesellschaft Belavia eingesetzt werden. Diese soll künftig von europäischen Firmen, die Flugzeuge verleasen, keine Maschinen mehr nutzen dürfen. Laut EU-Kreisen hatte Belavia zuletzt deutlich mehr als die Hälfte seiner rund 30 genutzten Flugzeuge geleast. Die Lage sei so dramatisch, dass er auch eine Verweigerung von Überflugrechten oder Landegenehmigungen nicht mehr ausschließe, erklärte der geschäftsführende deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD). Man werde diesen Weg der Härte weitergehen und über weitere Wirtschaftssanktionen reden. Auch die USA bereiten offenbar Sanktionen vor.
In den Fokus rückt auch die Frage, was mit denjenigen Menschen passieren soll, die sich bereits in Belarus aufhalten. „Wir müssen darüber reden, wie wir sie sicher in ihre Heimat zurückbringen können“, sagte Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis. Maas sprach sich gegen eine Aufnahme in Deutschland aus. „Ich würde dafür plädieren, dass die Menschen (…) in ihre Herkunftsländer zurückgeführt werden“.
Der Irak will am Donnerstag mit einem ersten Sonderflug irakische Flüchtlinge aus Belarus zurück in ihr Heimatland bringen. Die Rückkehr erfolge freiwillig, sagte ein Sprecher. Man wisse von etwa 750 Irakern an der belarussischen Grenze. mm/dpa/afp