Impfpflicht in der Pflege rückt näher

von Redaktion

VON SEBASTIAN HORSCH

München – Je dunkler die Tage draußen werden, desto mehr schwant Deutschland, welch schwerer Winter ihm bevorstehen könnte. Angesichts nicht abreißender Experten-Warnungen und täglich neuer Corona-Höchststände findet auch die Politik zum Ende des Wahljahrs mehr und mehr zurück in den Krisenmodus. Die Anspannung steigt spürbar und die Zeichen stehen auf Verschärfung. Während es einigen noch vor Wochen vornehmlich darum ging, wann der ganze Pandemie-Spuk mit all seinen Einschränkungen endlich zu Ende ist, steht statt eines Freedom-Days am Donnerstag nun wieder eine Bund-Länder-Runde an, die dem Land sogar neue Corona-Maßnahmen bringen könnte – wie so oft in den vergangenen zwei Jahren.

Im Mittelpunkt der zahlreichen Vorfeld-Debatten stand gestern die Frage nach einer Impfpflicht für bestimmte Berufsfelder und Einrichtungen – besonders in Alten- und Pflegeheimen. In Ländern wie Italien und Frankreich gibt es vergleichbare Regelungen schon. Auch Belgien hat eine entsprechende Vorgabe auf den Weg gebracht. Geht es nach Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, ist sie auch in Deutschland nicht mehr fern. Er sei ein „klarer Anhänger einer Impfpflicht“ für diese Berufe, sagte der Grünen-Politiker am Dienstag. In einem zweiten Schritt solle es auch eine Impfpflicht für Lehrkräfte und die Polizei geben. Kretschmanns Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) sagte sogar, es wäre besser gewesen, zu Beginn der Pandemie eine allgemeine Impfpflicht durchzusetzen.

Dass das nun zumindest für bestimmte Berufsgruppen tatsächlich nachgeholt werden könnte, erscheint zunehmend wahrscheinlicher – auch mit Blick auf die wohl künftige Regierung. Die Grünen sprechen sich im Gesundheits- und Pflegebereich schon länger dafür aus. „Wenn man für andere Menschen Verantwortung trägt, ist es nicht allein eine individuelle Entscheidung, ob man geimpft ist oder nicht“, wiederholte gestern Gesundheitsexperte Janosch Dahmen. Der wahrscheinliche Kanzler Olaf Scholz (SPD) will sich zwar nicht drängen lassen, bezeichnet die Diskussion aber als richtig. Und selbst in der FDP, die neuen Corona-Maßnahmen sonst oft kritisch gegenüber steht, werden Stimmen laut, die das gutheißen. Er könne sich „eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen durchaus vorstellen“, sagte gestern Michael Theurer, der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion.

Zumindest hier könnte die Ampel also in eine Richtung blinken. Eine Entscheidung werde aber nicht mehr in dieser Woche fallen, kündigte Carsten Schneider, der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, an. Da die Folge ein Berufsverbot für Ungeimpfte sein könne, sei eine sorgfältige Abwägung mit dem Gesundheitsschutz zu treffen.

Womöglich will sich die SPD zuerst aber auch genauer mit Befürchtungen aus der Pflegebranche auseinandersetzen. Denn dort gibt es die Sorge, der grassierende akute Personalmangel könnte durch eine Impfpflicht noch verschärft werden. Davor warnte gestern der Bundesverband Ambulante Dienste und Stationäre Einrichtungen, der eine Branchen-Impfpflicht als „unverhältnismäßig“ ablehnt. Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz befürchtet eine Personalflucht. Sollten sich wie in Großbritannien zehn Prozent der Altenpfleger nicht impfen lassen, könnten zwischen 100 000 und 120 000 Beschäftigte nicht mehr in der Altenpflege eingesetzt werden, warnte Vorstand Eugen Brysch.  mit kna und dpa

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