München/Berlin – Diesmal gab es keine Nachtschicht. Obwohl die Noch-Kanzlerin und die Länderchefs mit 90-minütiger Verspätung erst um 14.30 Uhr begonnen hatten, war sich die Runde um 18 Uhr einig, wie Deutschland die sich zuspitzende Corona-Lage in den Griff bekommen soll. „Die Lage ist hoch dramatisch“, betonte Angela Merkel. „Wir könnten besser dastehen, wenn die Impflücke nicht so groß wäre.“ Doch nun gehe es darum den exponentiellen Anstieg der Infektionen zu bremsen. Dazu einigten sich Bund und Länder auf folgende Maßnahmen.
Deutschlandweit sollen bei Überschreiten bestimmter Belastungsschwellen in den Kliniken einheitlich schärfere Maßnahmen greifen. Die Konferenz vereinbarte dafür drei Stufen mit jeweils weitergehenden Beschränkungen. Orientierungsgröße soll die für das jeweilige Bundesland ausgewiesene Hospitalisierungsrate sein. Dafür erfasst das Robert Koch-Institut (RKI) gemeldete Krankenhausaufnahmen von Corona-Patienten pro 100 000 Einwohner in einem Sieben-Tage-Zeitraum.
Konkret sollen die Länder bei Überschreiten eines Schwellenwertes von 3 flächendeckende Zugangsregeln nur für Geimpfte und Genesene (2G) etwa zu Veranstaltungen und in der Gastronomie einführen – sofern das nicht schon geschehen ist. Bei Überschreiten eines Werts von 6 sollen die Länder darüber hinaus in bestimmten Einrichtungen auch für Geimpfte und Genesene zusätzlich Testnachweise oder andere Maßnahmen vorschreiben (2G plus). Bürgertests sollen wie bereits im Sommer kostenlos sein.
Spätestens bei Überschreiten des Schwellenwerts von 9 sollen die Ministerpräsidenten dann von weitergehenden Beschränkungen Gebrauch machen. Dies zielt auf eine vom Bundestag beschlossene Klausel: Nach einem entsprechenden Landtagsbeschluss sollen die Länder weiterhin auch härtere Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen oder Einschränkungen und Verbote von Veranstaltungen verhängen können – auch ohne epidemische Lage.
Derzeit liegt die „Hospitalisierungs-Inzidenz“ in 11 der 16 Bundesländer über drei, lediglich Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und das Saarland wären also nicht betroffen. In drei Ländern liegt der Wert über sechs: in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Bayern.
Die Länder wollen darüber hinaus Beschäftigte unter anderem in Krankenhäusern und Pflegeheimen zur Corona-Impfung verpflichten. Die Pflicht soll bei Kontakt zu besonders gefährdeten Personen gelten, wie der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz Hendrik Wüst (CDU) im Anschluss an die Beratungen sagte. Zudem soll er neut ein Bonus für Pflegekräfte ausgezahlt werden, wohl auch um Aussteiger zurück in den Job zu locken.
Außerdem bekommen in der Corona-Krise besonders belastete Unternehmen länger Wirtschaftshilfen. Der Bund verlängert die bisher bis Jahresende befristete Überbrückungshilfe III Plus bis Ende März 2022, wie aus dem Beschlusspapier hervorgeht. Verlängert werden soll auch die Neustarthilfe für Solo-Selbständige. Ein Sonderfonds für Kulturschaffende soll „flexibilisiert“ werden.
In Bayern dürfte es sogar noch weiterreichende Beschränkungen geben. Der Freistaat kämpft derzeit wie auch Sachsen und Baden-Württemberg mit besonders hohen Infektionszahlen. „Es braucht einen echten Wellenbrecher“, sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nach den Bund-Länder-Beratungen. Deshalb habe er für Freitagvormittag bereits die Koalitionspartner zusammengerufen um schnellstmöglich Maßnahmen auf den Weg zu bringen. „Der Dezember wird ein schwerer Monat – erneut“, kündigte Söder an.
Besonders ungeimpfte Bayern müssen sich nun wohl auf harte Einschnitte einstellen. Es gehe nun auch darum „Rücksicht auf Geimpfte“ zu nehmen, sagte Söder. Und das bedeute einen „De-facto-Lockdown“ für Ungeimpfte. Auf die Frage, ob ein Lockdown für Geimpfte im Gegenzug ausgeschlossen sei, verwies Söder auf verfassungsrechtliche Hürden. Ein kategorisches Ja klingt allerdings anders. mit dpa