MIKE SCHIER
Es ist wirklich zum Verzweifeln: Fast zwei Jahre dauert diese Pandemie nun – und wir sind noch immer in unserem Krisenmanagement kein bisschen klüger. Obwohl genügend Impfstoff vorhanden ist, droht wie in Österreich auch hierzulande der nächste Lockdown. Millionen würden sich nun gerne lieber heute als morgen die dritte Spritze besorgen, doch mit unserer Bürokratie stehen wir uns erneut selbst im Weg. Die Impfzentren wurden zurückgefahren, die Daten der Erfassung gelöscht, Betriebsärzte beklagen viel zu hohe Hürden, Ärzte erklären sich für überlastet. Erst jetzt schreibt der Staat die wichtigsten Zielgruppen pro-aktiv an, wieder muss man sich mühsam einen Termin besorgen. Wochenlange Wartezeit inklusive. Leute werden weggeschickt!
Angesichts der explodierenden Zahlen ist vor allem eines gefragt: Tempo, Tempo, Tempo! Wir haben in Bayern den Katastrophenfall ausgerufen, einen Stopp an Operationen und in manchen Bereichen schon eine De-facto-Triage in den überlaufenen Kliniken. Aber noch immer dürfen zehntausende Apotheker zwar über Nacht Schnelltestzentren aus dem Boden stampfen, aber nicht impfen. Wo sind die Sanitäter der Bundeswehr? Jeder, der eine Nadel setzen kann und darf, sollte das tun.
Die Politik ist derweil damit beschäftigt, mit dem Finger aufeinander zu zeigen. Die in Bayern regierende CSU, die auch in Berlin noch Verantwortung trägt, postet in sozialen Netzwerken Bilder von bayerischen Krankenwagen-Schlangen. Tenor: Die Ampel sei schuld. Das ist – man kann es nicht anders sagen – niederträchtig. Die Wucht der Welle hat so kaum einer vorhergesehen. Jetzt geht es um Zusammenhalt und Krisenmanagement. Impfwillige werden keinen Lockdown akzeptieren, wenn die Politik ihre Hausaufgaben nicht macht. Die gesellschaftliche Sprengkraft ist nicht zu unterschätzen.
Mike.Schier@ovb.net