Berlin – Das Bundesgesundheitsministerium hat viel Kritik auf sich gezogen mit der Ankündigung, beim Biontech-Impfstoff „Höchstbestellmengen“ einzuführen, damit Moderna-Dosen vor dem Verfall verimpft werden. Doch die Lage ist kompliziert.
Deutschland hat laut Bundesgesundheitsministerium 16 Millionen Dosen Moderna auf Lager. Ab Mitte des ersten Quartals drohten eingelagerte Dosen zu verfallen. „Es muss unser gemeinsames Anliegen sein, dies mit allen Mitteln zu verhindern“, heißt es in einem Schreiben des Ministeriums an die Länder. Praxen und Impfzentren bestellen derzeit bis zu 90 Prozent Biontech. Davon sollen sie nun zunächst nur noch bestimmte Mengen bestellen dürfen, damit mehr Moderna zum Einsatz kommt: Praxen 30 Dosen, mobile Impfteams und Impfzentren 1020 pro Woche – Moderna gäbe es unlimitiert. Minister Jens Spahn (CDU) verteidigt das mit Hinweis auf den Lagerbestand.
Wie viel Impfstoff ist denn da?
Bis zum Jahresende stehen laut Ministerium noch rund 50 Millionen Dosen für Erst-, Zweit- oder Booster-Impfungen zur Verfügung, etwa die Hälfte davon kommt von Biontech, die andere Hälfte von Moderna. Angestrebt werden bis Jahresende 20 bis 25 Millionen Auffrischungsimpfungen – zwischen 5,5 und 6 Millionen sind es bisher. Maximal 25 Millionen Menschen, also rund 30 Prozent der Bevölkerung, haben noch gar keine Impfung erhalten.
Wer erhebt eigentlich Kritik? Und warum?
Ärzte- und Ländervertreter halten es für ein falsches Signal, die Bereitstellung des beliebten, in Deutschland entwickelten Biontech-Vakzins zu drosseln. Sie befürchten Verunsicherung. Es drohe eine Verlangsamung des Impftempos, heißt es bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Befürchtet wird, dass Menschen, die schon Booster-Termine mit Biontech vereinbart haben, zögern könnten, wenn ihnen nun Moderna angeboten wird.
Schützt Moderna gut? Auch gegen Delta?
Sogar sehr gut – darauf weisen Untersuchungen hin. Eine US-Studie etwa verglich die Effektivität der Impfstoffe von Moderna und Biontech mit Blick auf die Delta-Variante des Coronavirus. Modernas Spikevax schützt demnach zu rund 76 Prozent vor einer Infektion. Biontech kam auf 42 Prozent. Die Studien-Autoren weisen allerdings darauf hin, dass die Unterschiede noch bestätigt werden müssten. Eine jüngst veröffentlichte Studie aus Katar tut dies: Der Schutz vor Infektion wie Hospitalisierung ist bei der Delta-Variante bei Spikevax höher als bei Biontech, so ihr Ergebnis. Betrachtet man die Dauer des Schutzes, deuten erste Daten darauf hin, dass Moderna auch hier die Nase vorn haben könnte (s. Artikel unten).
Und Moderna als Booster?
Dazu gibt es bislang nur erste Hinweise. Es deutet sich an, dass Moderna mindestens so effektiv ist. So hat das Gesundheitsministerium Singapurs vor einigen Tagen die Ergebnisse eines Vergleichs veröffentlicht, bei dem alle Personen die Grundimmunisierung mit Biontech hatten. Wurden diese auch beim dritten Mal damit geimpft, ergab sich eine Reduzierung des Infektionsrisikos von 62 Prozent. Bekamen sie Moderna, lag sie bei 72 Prozent.
Soll man Impfstoffe kombinieren?
Für die Auffrischungsimpfung empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) einen mRNA-Impfstoff, auch wenn man vorher einen anderen bekommen hat. Wenn möglich, soll es beim Boostern derselbe mRNA-Wirkstoff sein wie bei der Grundimmunisierung. Ist dieser nicht verfügbar, könne auch der jeweils andere eingesetzt werden. Lediglich für Personen unter 30 Jahren wird ausschließlich Biontech empfohlen, weil in dieser Altersgruppe bei Moderna das Risiko für bestimmte Herzentzündungen leicht erhöht ist. Auch für Schwangere wird Moderna nicht empfohlen.
Experten haben grundsätzlich keine Bedenken hinsichtlich eines Wechsels. „Ich halte das für völlig unproblematisch“, sagt der Infektiologe Leif Erik Sander von der Berliner Charité. Es gebe sogar Studien, nach denen die Kombination verschiedener Impfstoffe immunologisch günstig sei. „Man sollte einfach das nehmen, was da ist.“ Nebenwirkungen der Auffrischungsimpfung gleichen den Studien zufolge denen, die auch nach den ersten beiden Spritzen auftreten können.