Corona wirkt wie ein Brennglas, das bestehende Probleme in einer Gesellschaft schonungslos offenlegt. Genau diesen Effekt erleben gerade die Niederlande. Am Freitag kam es nach einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen in Rotterdam zu heftigen Krawallen, Polizeibeamte wussten sich nicht mehr anders zu helfen, als gezielt auf Menschen zu schießen, die sie angegriffen hatten. Es folgte ein Wochenende der Gewalt in vielen Städten im ganzen Land.
Ausgangspunkt waren zunächst meist friedliche Demonstrationen gegen die mögliche Einführung von 2G-Regeln. Doch die Stimmung kippte schnell, vor Ort kam es zu einer explosiven Mischung: Hooligans, Jugendliche aus Problemvierteln, deren Schwierigkeiten sich in der Pandemie noch verschärft haben, und maskierte Bürgerwehren traten auf den Plan. Diese Gruppen eint wenig mehr als die Ablehnung des Staats. Polizeibeamte wurden als dessen Repräsentanten zur Zielscheibe der Gewalt. Nicht zum ersten Mal in der Pandemie.
Diese Aggression gedeiht in einem gesellschaftlichen und politischen Klima extremer Polarisierung. Die Regierung von Ministerpräsident Rutte ist nur geschäftsführend im Amt und strahlt wenig Autorität aus, während die rechtspopulistische Opposition im Parlament keine Zurückhaltung mehr kennt und ihren politischen Gegnern sogar mit „Tribunalen“ droht.
Marc.Kniepkamp@ovb.net