Migranten im Ärmelkanal

Wann findet Europa die Kraft zur Lösung?

von Redaktion

ALEXANDER WEBER

Boris Johnson ist ein Meister der Stillosigkeit. Das zu beweisen, hätte es des neuesten Fauxpas des britischen Premierministers im Migrationsstreit nicht bedurft. Einen internen Brief an den Staatspräsidenten Frankreichs auf Twitter zu veröffentlichen, ist unterste Schublade im diplomatischen Umgang unter Regierungen. Es wird immer deutlicher, wie sehr Johnson mittlerweile Gefangener seiner eigenen falschen Brexit-Versprechen geworden ist. „Take back control“? Von wegen! Gerade wegen des Brexits ist es für London jetzt sehr viel schwerer, auf der Insel angekommene Flüchtlinge in ein EU-Land „rückzuführen“. Auch der Fischerei-Streit mit Frankreich und der Kampf um das Nordirland-Protokoll zeigen die Schattenseiten des Londoner Brexit-Solos.

Und dennoch: Die neueste Migranten-Tragödie im Ärmelkanal mit 27 Toten bleibt eine Schande für Gesamt-Europa. Immer noch wechseln die Brüsseler Augen lediglich von einem Brennpunkt der Migrationskrise zum anderen– erst Lampedusa, dann die Ägäis-Inseln, zuletzt Polen/Belarus. Doch die Kraft zu einer grundlegenden Einigung auf eine Doppel-Lösung, die das Problem an der Wurzel packt und alle einbezieht, reicht seit Jahren nicht aus. Der robuste Schutz der EU-Außengrenzen muss ergänzt werden durch ein EU-weites System der legalen und kontrollierbaren Zuwanderung, die den Schleusern ihr Geschäftsmodell vermiest und den Menschen die lebensgefährliche Flucht übers Meer erspart.

Alexander.Weber@ovb.net

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