Scholz will Corona-Kurswechsel

2G spaltet mehr als die Impfpflicht

von Redaktion

GEORG ANASTASIADIS

Viele Krokodilstränen werden derzeit wegen der angeblichen Fehler der neuen Ampelkoalition in der Coronapolitik vergossen. Vor allem die Union wird nicht müde, die (noch gar nicht im Amt befindliche) Regierung zu geißeln. Doch das größere Versäumnis hat die noch geschäftsführende GroKo zu verantworten: Es war der – wie wir schmerzlich lernen mussten – leider voreilige Schwur, in der Pandemie keine Impfpflicht einzuführen.

Die Regierung hatte dafür ein damals plausibles Argument: Eine Impfpflicht spalte die Gesellschaft. Merkel, Spahn und auch Scholz wollten gefällig sein, so wie auch bei der vorgezogenen Rente, der Atompolitik und der Abschaffung der Wehrpflicht. Da war die Delta-Variante noch fern und die Hoffnung auf viele Freiwillige groß. Heute, im dritten Coronawinter, wissen wir es besser. Nichts spaltet das Volk mehr als ein Dickicht komplizierter und massiv umstrittener 2G-Regelungen, die wegen der niedrigen Impfquote unvermeidlich geworden sind, ohne dass sie am Ende neue Teil-Lockdowns abwenden konnten. Impfbefürworter und Gegner haben sich wundgerieben am nicht enden wollenden Streit darüber, wie viel Ausgrenzung Ungeimpfte hinzunehmen haben. Eine Impfpflicht, etwa für alle ab 60, ist für Impfgegner eine Zumutung (auch wenn sich die Angst vor Langzeitfolgen des Vakzins als unbegründet erwiesen hat). Aber sie schafft Klarheit und beendet eine Debatte, die zuletzt nur noch Verlierer kannte: die Geimpften, die trotz Immunisierung zunehmend zornig in einer Endlosschleife aus Lockdowns festhängen; und die Ungeimpften, die sich wie Aussätzige behandelt fühlen.

Berliner Wissenschaftler haben berechnet: An neun von zehn Infektionen sind aktuell Ungeimpfte beteiligt. Ihr Freiheitsrecht auf körperliche Unversehrtheit darf nicht höher bewertet werden als das Recht der Mehrheit, die Gesellschaft funktionsfähig zu halten. Der designierte Kanzler mutet vielen seiner Landleute viel zu. Ein „Umfaller“ seien er und die mit ihm verbündete FDP, höhnen nun manche. CDU und CSU aber sollten sich nicht zu sehr aufplustern. Sie waren es mit ihrer jahrelangen Untätigkeit, die Merkels Erben diesen holprigen Start bescheren.

Georg.Anastasiadis@ovb.net

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