Rom – Italien war in der Corona-Krise nicht immer zu beneiden, derzeit sieht die Sache aber anders aus. Die Impfquote liegt bei knapp 80 Prozent, die Fallzahlen halten sich in Grenzen, die Kliniken kommen mit der Belastung klar. Während die vierte Welle Deutschland mit einiger Wucht trifft, hat sie Italien –einst ein großes Corona-Sorgenkind – im Griff. Wie hat das Land das geschafft?
Einen Teil der Antwort gibt die Regierung von Ministerpräsident Mario Draghi in diesen Tagen selbst: Obwohl die Lage, trotz leicht steigender Zahlen, vergleichsweise entspannt ist, verschärft die Regierung in Rom wenige Wochen vor den Feiertagen vorsorglich die Regeln. „Wir sind im Vergleich zu anderen Ländern noch gut dran“, sagte der 74-jährige Draghi seinen Landsleuten zur Erklärung. „Aber gerade deshalb wollen wir rechtzeitig zu Vorsichtsmaßnahmen greifen.“
Konkret heißt das: Ab kommendem Montag – Nikolaustag – gilt der 3G-Beleg „Green Pass“ auch im öffentlichen Nahverkehr und bei Hotelbesuchen. Schon seit August verlangen die Italiener ihn in Restaurants und Bars. Der Pass ist nicht unumstritten und führte zu landesweiten Protesten. Gleichzeitig gilt er aber als besonders effektiv – vor allem seit seiner Einführung am Arbeitsplatz Mitte Oktober. Seither müssen Beschäftigte nachweisen, dass sie entweder von Corona genesen, geimpft oder getestet sind. Der Test kostet in Italien 15 Euro. Wer ihn verweigert, dem droht nach einer Woche Absenz Gehaltsentzug.
Der spürbare Effekt der Maßnahme: Sie hat dazu beigetragen, Italiens Corona-Impfquote spürbar nach oben zu treiben. In der Bevölkerung über zwölf Jahre sind rund 85 Prozent der Menschen zweimal geimpft, insgesamt liegt die Quote etwas niedriger. Verglichen mit den deutschen Werten sind die Zahlen dennoch komfortabel. Dass Italien heute eine der besten Impfquoten in Europa hat, liegt auch daran, dass die Kampagne Generalstabsmäßig organisiert wird: von einem General. In Deutschland hat man sich das abgeschaut, wenn auch spät. Der neue Corona-Krisenstab soll von einem Bundeswehrgeneral geleitet werden.
Das frühe Durchgreifen der Regierung und die hohe Impfbereitschaft haben auch mit Bildern der Vergangenheit zu tun, die niemand im Land noch mal erleben will. Im Frühjahr 2020 transportierte das Militär im Konvoi Särge aus Bergamo ab. Das prägt bis heute. Viele Menschen, vor allem Senioren, sind extrem verängstigt. Italien hat bereits im April eine Impfpflicht für Klinikpersonal eingeführt, im Oktober folgten die Pflegeberufe. Ab Mitte Dezember gilt dann auch eine Impfpflicht für Lehrer, Dozenten, Polizei, Militär und Rettungsdienste.
Vor Kurzem einigte sich die Koalition zudem auf die Einführung des sogenannten Super Green Pass. Er wird nur noch geimpften oder genesenen Menschen ausgestellt –nicht mehr negativ getesteten – und soll ab einer Inzidenz von 150 und der Belegung der Intensivbetten von 20 Prozent gelten. Von den Einschränkungen, die dann greifen, bleibt nur verschont, wer geimpft oder genesen ist. Er darf also noch in Restaurants, Bars, zu Sportveranstaltungen oder zum Skifahren in Skigebieten gehen.
In der Region Friaul Julisch Venetien gelten ab Montag diese Bedingungen, die Region ist im Corona-Index von „weiß“ nach „gelb“ gerutscht. In Städten wie Mailand oder Bologna herrscht Maskenpflicht auch im Freien. „Wenn es so weitergeht, dann wird wahrscheinlich bald ganz Italien gelbe Zone“, sagt der Gouverneur von Venetien, Luca Zaia, mit Blick auf die steigenden Neuinfektionen. Seine Region, die Lombardei, Latium und die Emilia-Romagna könnten demnächst „gelb“ werden.
Für Südtirol steht das ab Montag bereits fest. Die Region hat eine Sieben-Tages-Inzidenz von 550 und damit den höchsten Wert in Italien. In Südtirol muss deshalb Maske auch im Freien getragen werden, Gastronomiebesuche, Kino, Theater oder Fitnessstudio sind nur noch mit Super Green Pass, also 2G, erlaubt. Fachleute sehen einen Zusammenhang mit der nicht gerade begeisterten Impfbereitschaft der Südtiroler. In der autonomen Provinz sind rund 69 Prozent der Erwachsenen vollständig geimpft, also satte 16 Prozent weniger als im Landesschnitt. mit dpa