Berlin – Zwei von drei geschafft: SPD und FDP haben jeweils mit überwältigender Mehrheit der ersten Ampel-Koalition auf Bundesebene zugestimmt. Bei einem SPD-Parteitag gab es am Samstag 98,8 Prozent Zustimmung für den Koalitionsvertrag, bei der FDP am Sonntag 92,2 Prozent. Sagen auch die Grünen Ja, kann Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch im Bundestag zum Kanzler gewählt werden. Die Grünen wollen das Ergebnis ihrer Urabstimmung zu dem 177-Seiten-Papier an diesem Montag veröffentlichen.
Ein breites Grinsen, beide Daumen hochgereckt: Der wohl künftige Kanzler zeigte sich auf dem SPD-Parteitag bereits ungewohnt euphorisch. „Wir haben jetzt die Chance: Ein Aufbruch kann für Deutschland stattfinden“, rief Olaf Scholz den Delegierten zu. Der 63-Jährige kündigte eine Regierung an, „die den Fortschritt anpackt in einem Moment, wo es gefährlich wäre, das nicht zu tun“.
Ähnlich zuversichtlich äußerte sich am Sonntag FDP-Chef Christian Lindner: „Ich bin überzeugt davon: Dieses Land wird von dieser Koalition profitieren, ein neuer Aufbruch in Deutschland ist möglich“, sagte der 42-Jährige. Auch die FDP könne von dieser neuen Verantwortung profitieren. „Fangen wir an. Deutschland wartet auf diesen neuen Aufbruch.“
In ihrem über Wochen ausgehandelten Koalitionsvertrag versprechen die Ampel-Parteien unter anderem große Anstrengungen beim Klimaschutz und einen Umbau der Industrie. Zugleich sind Verbesserungen etwa für Geringverdiener, Mieter und Familien vorgesehen. Der Mindestlohn soll rasch auf 12 Euro steigen, jährlich sollen 400 000 neue Wohnungen gebaut werden.
Lindner betonte, der Vertrag erneuere das liberale Bildungs- und Aufstiegsversprechen. Er stehe für gesellschaftspolitischen Aufbruch und ein modernes Einwanderungsrecht, sehe solide Finanzen und eine Digitalisierung von Staat und Gesellschaft vor. „In diesem Koalitionsvertrag sind viele Projekte und Anliegen der Freien Demokraten enthalten.“ Mehr liberale Politik hätte es auch in einer Jamaika-Konstellation mit Union und Grünen nicht gegeben.
Bei der SPD sagte Generalsekretär Lars Klingbeil: „Ich bin wahnsinnig stolz auf das, was wir da gemeinsam verhandelt haben.“ Selbst der sonst oft kritische SPD-Vize Kevin Kühnert versicherte: „Es fühlt sich gut und richtig an.“ Nennenswerte Kritik gab es weder beim SPD- noch beim FDP-Parteitag.
Auch über die Personalien wird ab heute voraussichtlich Klarheit herrschen. Denn anders als FDP und Grüne hat die SPD ihre Kabinettsmitglieder noch nicht bekannt gegeben. Es wird damit gerechnet, dass das nun geschieht. Sicher ist bisher nur, dass die SPD neben dem Kanzleramt die Ministerien für Arbeit und Soziales, Bauen, Gesundheit, Inneres, Verteidigung und wirtschaftliche Entwicklung übernimmt. Außerdem stellt sie den Kanzleramtsminister.
Die Grünen besetzen das Außenministerium (Annalena Baerbock), das Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (Vizekanzler Robert Habeck), Familie (Anne Spiegel), Umwelt (Steffi Lemke) und das Agrarministerium (Cem Özdemir). Die FDP stellt den Finanzminister (Christian Lindner), den Verkehrsminister (Volker Wissing), den Justizminister (Marco Buschmann) und die Bildungsministerin (Bettina Stark-Watzinger). Scholz hatte versprochen, dass sein Kabinett paritätisch, also mit mindestens gleich vielen Frauen wie Männern besetzt wird. T. MÜNCH, U. STEINKOHL, M. FISCHER