Heidenheim – Winfried Kretschmann ist ein großer Fan von Angela Merkel. Doch die Kanzlerin ist bald weg. Kretschmann, der immerhin sechs Jahre älter ist, will bis 2026 Regierungschef in Baden-Württemberg bleiben. Dann ist er 77. „Mutti geht, Opa bleibt“, hieß es dazu schon mal. Er sei im März für fünf Jahre gewählt worden, sagt Kretschmann am Samstag beim Landesparteitag der Grünen in Heidenheim. „Und so fit wie ich mich fühle, werde ich dieses Versprechen auch halten.“ Eine Botschaft an alle in der Partei, die jetzt schon über seine Nachfolge nachdenken.
Die Grünen wissen, was sie ihrem Altmeister zu verdanken haben. Er ist nach wie vor der einzige grüne Ministerpräsident und hat seine Partei seit seinem Amtsantritt im Jahr 2011 in weiten Teilen des Landes anschlussfähig gemacht. Aber zugleich sitzt den Grünen die Angst in den Knochen, ihnen könnte im Südwesten ein ähnliches Schicksal drohen wie der CDU mit Merkel: Der Absturz nach dem Abgang des populären Regierungschefs.
Die Partei muss sich rechtzeitig auf ein Ende der Ära Kretschmann vorbereiten. Der Regierungschef will aber keinesfalls als lahme Ente dastehen, schon gar nicht in einer Zeit, in der er die Corona-Pandemie bekämpfen, den Klimaschutz vorantreiben und Brücken zur neuen Ampel in Berlin bauen möchte.
Lena Schwelling und Pascal Haggenmüller, die am Samstag zu den neuen Landeschefs der Partei gewählt wurden, hatten vor der Abstimmung frech behauptet, gleich am ersten Tag ihrer Amtszeit beginne die Suche nach einem Verfahren für die Regelung der Kretschmann-Nachfolge. Beim Parteitag in Heidenheim fuhr der 73-Jährige den beiden dann gleich in die Parade. So deutlich wie nie stellte er klar, dass er seine Amtszeit ausschöpfen wolle.
„Damit ist das gesetzt“, sagt denn auch Haggenmüller am Abend in kleinerer Runde zu Kretschmanns Ansage. Die jungen Parteivorsitzenden rudern zurück. „Das ist ja kein Thema, was wir nächste Woche klären müssen“, erklärt Schwelling. Was Kretschmann von ihnen erwartet, sagte er beim Abschied ihrer Vorgänger Sandra Detzer und Oliver Hildenbrand. Er dankte ihnen für „große Loyalität“.
Doch auch Kretschmann weiß, dass Handlungsbedarf besteht. Die Lücke zwischen dem Ergebnis vom März im Land (32,6 Prozent) und dem vom September im Bund (17,8 Prozent) schmerzt die Grünen. Kretschmann selbst hatte die Seinen kurz nach der Bundestagswahl in einer hitzigen Fraktionssitzung aufgefordert, dringend darüber nachzudenken, wie man den grünen Erfolg im Südwesten langfristig absichern könne – auch, wenn er dann mal weg sei. Die Strategen aus dem Realo-Flügel sagen dazu, die Partei müsse sich breiter aufstellen, nicht nur Pro Asyl besuchen, sondern auch beim Handwerkstag Stammgast sein. Fraktionschef Andreas Schwarz, der als potenzieller Nachfolger von Kretschmann genannt wird, meint, die Grünen müssten „Vollsortimenter“ werden.
Bei den Parteilinken hält man diesen Ansatz für übertrieben, die Grünen seien längst auf einem guten Weg. Und Kretschmann könne in seiner Amtszeit noch viel dafür tun, dass das Vertrauen der Bevölkerung sich nicht nur auf ihn konzentriert, sondern stärker auf seine Partei. „Vom Ich zum Wir“ müsse Kretschmann kommen, heißt es. Davon war in Heidenheim noch wenig zu spüren. V. REIBER/H. OTTE