Olaf Scholz ist Kanzler

Das Land braucht Führung

von Redaktion

MIKE SCHIER

Hätte man bei den Buchmachern vor einem Jahr auf einen Bundeskanzler Olaf Scholz gesetzt, wäre man heute einen dicken Batzen reicher. Mit dem gestrigen Amtseid des kühlen, stets technokratischen Hanseaten endet einer der erstaunlichsten Aufstiege der letzten Jahrzehnte. Jener Mann, dem man einst wegen seiner maschinenhaften Rhetorik den Beinamen „Scholzomat“ gab, führt nun die Republik. Die Parallelen zu Angela Merkel, die als „Kohls Mädchen“ begann, sind auch hier erstaunlich.

Wird Scholz einfach als Merkel 2.0 regieren können? Die Deutschen haben seltsam zwiespältig gewählt: Hier einen Kanzler, der für einen Regierungsstil steht, den viele Deutsche unter Merkel schätzen gelernt haben: nüchtern, am liebsten jenseits des Rampenlichts. Dort aber das Votum für eine Regierungsbeteiligung von FDP und Grünen, die das Land grundlegend verändern wollen. Deren starke Männer Christian Lindner und Robert Habeck sind nicht nur eloquenter als Scholz, sie streben auch in die Öffentlichkeit. Das birgt zwar Angriffsfläche, verschafft aber auch Deutungshoheit in Streitfragen.

Bislang ist Scholz mit seiner Zurückhaltung gut gefahren. Wer wenig in Erscheinung tritt, macht wenig Fehler. Nach innen aber demonstrierte er seinen Machtanspruch, auch auch mit der Auswahl der SPD-Minister. Und trotzdem muss er sich fragen, wie lange diese Strategie trägt. In der Pandemie musste sogar Merkel dem Volk gelegentlich politische Führung zeigen. Dass Scholz dies beim Infektionsschutzgesetz lange verweigerte, hat ein schlechtes erstes Bild hinterlassen. Den Klimaschutz oder die Digitalisierung wird er so nicht revolutionieren.

Mike.Schier@ovb.net

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