Ein Start mit Harmonie und Hetze

von Redaktion

VON JÖRG BLANK UND DORIS HEIMANN

Paris – Schöne Fotos und hässliche Nazi-Plakate: Schon in ihren ersten Stunden im Amt erlebt die neue Außenministerin Annalena Baerbock die volle Bandbreite der Reisediplomatie. Es beginnt mit einem prunkvollen Auftritt in Paris. In einem Prachtsaal unter goldenen Kronleuchtern tritt die 40-jährige Grüne am Vormittag mit dem französischen Außenminister Jean-Yves Le Drian vor die Kameras.

Sie duzen sich, beschwören ein „starkes Europa“ mit „deutsch-französischen Impulsen“. Beide versprechen eine enge Absprache im Konflikt um die Ukraine, um Vorrang für diplomatische vor militärischen Schritten zu gewährleisten. Streit, etwa um die französischen Pläne, Kernenergie als „grün“ einzustufen, blenden sie weitgehend aus. „Dass wir zu der Frage Nuklear unterschiedliche Positionen haben, das ist ja bekannt“, sagte die neue Ministerin.

Somit bleibt es zunächst bei Symbolik, dazu zählt auch das Bekenntnis: Ja, in Paris sitzen unsere engsten Partner. Es tritt ja nicht nur Baerbock sofort die Tour nach Frankreich an, auch Finanzminister Christian Lindner (FDP) folgt in Kürze. Zudem will Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sich heute hier blicken lassen – die Ampel in voller Stärke.

Zumindest für Baerbock sind es die ersten Schritte im Amt auf internationalem Parkett. Sie inszeniert das. Auf der Weiterfahrt lässt sie ihre Kolonne am Louvre vorbeirollen. Auf einer Seine-Brücke springt sie sogar aus der Limousine: ein Foto von ihr vor dem Eiffelturm. Nur für die beiden Töchter daheim, sagt sie. Die Weiterreise nach Brüssel, nächster Termin, tritt sie per Zug an. Im Bahnhof bleibt sie bei zwei Klavierspielern stehen, lässt sich vom mitreisenden Tross erneut fotografieren. „Was gibt es Schöneres für eine Außenministerin, als am ersten Morgen im neuen Amt in Paris zu sein“, betont sie.

Der schwierige Teil der Reise-Diplomatie folgt für sie heute: Antrittsbesuch in Polen bei ihrem Kollegen Zbigniew Rau. In Warschau hängt eine von öffentlichen Geldern mitfinanzierte Plakataktion, um polnische Reparationsforderungen zu unterstützen. Sie zeigen deutsche Politiker – Angela Merkel und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier – in einer Reihe mit Hitler und Goebbels. „Diffamierend“ sei das, lässt Baerbock ausrichten.

Zuletzt ist der antideutsche Tonfall bei Polens Nationalkonservativen schriller geworden. Beobachter in Warschau führen dies auch auf den europapolitischen Kurs der neuen Bundesregierung zurück. Denn die Ampel-Koalition hat in ihrem Vertrag festgelegt, dass die EU „ihre Werte und ihre Rechtsstaatlichkeit nach innen wie außen schützt“ – ein klares Signal an Polen, das wegen seiner umstrittenen Justizreformen mit der EU-Kommission über Kreuz liegt.

Auch ist im Koalitionsvertrag vom Ziel einer EU als föderalem europäischem Bundesstaat die Rede. Der PiS ist das ein Dorn im Auge. „Führende Vertreter unterstellen der Bundesregierung, sie wolle aus der EU ein „Viertes Reich“ machen. Baerbocks Besuch in Warschau dürfte kein Spaziergang werden.

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