München – Querkopf, Salzverweigerer und neuerdings Gesundheitsminister – Karl Lauterbach ist vieles, aber kein Rechthaber. An seinem ersten Abend im neuen Amt trat der Nachfolger von Jens Spahn im „heute journal“ auf und sagte glasklar: „Die Impfung ist nur abgeschlossen, wenn man drei Mal geimpft wurde.“ Das sei die neue Realität, um vor der neuen Omikron-Variante einigermaßen geschützt zu sein – zwei Impfungen würden die Krankheit aber zumindest abmildern.
Eine bemerkenswerte Aussage für einen Politiker, der Anfang August noch von einer Auffrischungsimpfung für alle abgeraten hatte. Aber Lauterbach ist eben immer noch ein bisschen mehr Wissenschaftler als Politiker. Wenn sich die Sachlage ändert, ändert er seine Meinung. Und in einer Pandemie ändert sich die Sachlage oft.
Der neue Minister wird von einem Teil der Deutschen nahezu verachtet. Denn Lauterbach warb schon früh immer wieder für Kinderimpfungen und mahnte beharrlich zur Vorsicht, als alle das Ende der Pandemie feiern wollten. Mal lag er falsch, mal lag er richtig. Doch darum, ob sich eine Botschaft politisch verkaufen lässt, hat er sich nie geschert. Er stößt die Menschen vor den Kopf. Gleichzeitig darf es aber auch Mut machen, wenn einer, der nicht zur Schönfärberei neigt, sein Ministerium mit den Worten einschwört: „Wir werden es mit diesem Haus schaffen, diese Pandemie zu Ende zu bringen in den nächsten Monaten.“
Um das zu erreichen will der neue Minister nun erst einmal durchzählen. Lauterbach plant noch diese Woche eine Impfstoff-Inventur. „Wir haben die Grundlage für 30 Millionen Impfungen bis zum Jahresende“, sagte er dem „Spiegel“. Ziel sei es nun, zu sehen, „wie viele von diesen 30 Millionen wirklich verimpft werden können“. Dazu werde geprüft, welche Impfdosen wo gelagert werden, welche Verträge zum Kauf weiterer Dosen bereits geschlossen wurden, wie es mit Lieferungen für Januar aussehe und welche bilateralen Verträge möglich seien.
Das Ziel von 30 Millionen Impfungen bis Weihnachten hatten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Länder vergangene Woche ausgegeben. Gestern trat die Runde wieder virtuell zusammen, ohne Angela Merkel, dafür mit dem neuen Kanzler, dem die Runde nicht ganz neu ist. Er sei ja schon lange in wechselnden Rollen dabei, sagt Scholz am Abend. „So ganz anders als sonst war’s nicht.“
Die Beratungen dauern bis in den Abend hinein, neue Beschlüsse gibt es aber kaum. Scholz bekräftigt sein 30-Millionen-Impfungen-Ziel und betont, er wolle beim Impfen mehr Tempo machen. Schärfere Corona-Regeln zu Weihnachten wird es nicht geben – bis auf Weiteres. Man werde die Lage genau beobachten, sagt der Kanzler und kündigt für nächste Woche Sitzungen des Expertenrats und des Corona-Krisenstabs an. Notfalls seien auch kurzfristige neue Entscheidungen möglich.
Großes Thema der Beratungen war die Omikron-Variante. NRW-Regierungschef Hendrik Wüst (CDU) sagt am Abend, Experten hätten Zweifel, ob die aktuellen Corona-Regeln zur Eindämmung ausreichten. Deshalb müsse die berufsbezogene Impfpflicht, etwa für das Personal in Kliniken und Pflegeheimen, „so schnell wie möglich“ kommen. Auch die Diskussion über eine allgemeine Impfpflicht müsse zügig laufen.
Wüst fordert auch eine Medikamentenstrategie gegen Corona. Nach den Drohungen gegen einzelne Politiker drängen die Ministerpräsidenten die neue Bundesregierung zudem zur schärferen Regulierung von Messenger-Diensten wie Telegram.
Es ist Lauterbach, der gestern den Schlussakkord setzt. In der ARD verspricht er, die Ständige Impfkommission besser auszustatten und den Pflegebonus schnell voranzubringen. „Da werden wir nicht wortbrüchig.“