ALEXANDER WEBER
Der erste Tag der neuen Ampel-Regierung war noch nicht vorbei, da platzte schon der erste Streit in den rot-grün-gelben Honeymoon: Wo wird die Europapolitik Deutschlands gemanagt, im Kanzleramt oder im Außenministerium von Annalena Baerbock? Das Scharmützel erinnert sehr stark an die Koch-Kellner-Debatte der ersten rot-grünen Koalition 1998, als Joschka Fischer sehr schmerzlich von Gerhard Schröder lernen musste, wo der Hammer hängt, sprich: die Richtlinienkompetenz zuhause ist. Europapolitik war von Adenauers Zeiten an die Domäne der Kanzler, Außenminister durften im Tagesgeschäft nützliche Sherpa-Dienste leisten, mehr nicht. Daran wird sich auch unter Olaf Scholz nichts ändern.
Kontinuität kennzeichnet auch das Eröffnungsritual der neuen Regierung. Wie bei den Vorgängern stehen zuallererst Antrittsbesuche in Paris an, diesmal vor allem deshalb besonders sinnvoll, weil Frankreich ab dem 1. Januar die Ratspräsidentschaft in der EU übernimmt.
Doch es deuten sich auch neue Weichenstellungen an: Merkels oberstes Credo „Europa um jeden Preis zusammenhalten“ würde die Ampel offenbar nicht blanko unterschreiben. Verstöße gegen Grundprinzipien und Werte der EU will Berlin künftig deutlich weniger tolerieren – eine klare Kampfansage vor allem an Polen und Ungarn. Für Gesprächsstoff bei Baerbocks Antrittsbesuch in Warschau ist also gesorgt. Kopfzerbrechen bereitet vor allem in Südeuropa auch der neue Finanzminister. Christian Lindner eilt im Club Mediterranee der Ruf voraus, die derzeit lockeren Zügel in der Schuldenpolitik wieder anzuziehen und den Euro-Stabilitätsregeln wieder mehr Geltung zu verschaffen. Zeit dafür wär’s.
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