Die Achse quietscht – aber hält

von Redaktion

VON MICHAEL FISCHER UND MICHAEL EVERS

Paris – Es ist keine Umarmung, kein Küsschen wie früher gern für die Kanzlerin, aber doch ein warmer Empfang. Emmanuel Macron eilt nach draußen vor den ElyséePalast, wo die Ehrenformation stramm steht. Er reicht seine Rechte zum Faust-an-Faust-Gruß für Olaf Scholz, die Linke tätschelt gleichzeitig die Schulter des Gastes.

Das sind freundliche Bilder vom Antrittsbesuch des neuen Kanzlers in Paris, seiner ersten offiziellen Auslandsreise im Amt, angetreten mit nur zehnköpfiger Delegation im Regierungs-Airbus „Theodor Heuss“. Bei Lammkotelett, Gemüse in Arganöl und Trüffel mit Elysée-Kartoffeln und einem Blätterteig-Dessert treffen sich die Regenten zum Mittagessen im Palast. Dann bekräftigen sie den Willen zur engen deutsch-französischen Zusammenarbeit. „Wichtig ist, dass wir da gleichgerichtet agieren, dass wir miteinander zusammenarbeiten“, sagt Scholz.

Macron betont anschließend, die enge Kooperation wie schon mit Ex-Kanzlerin Angela Merkel solle weitergehen. Mit Scholz gebe es nun ein solides Fundament für die Zusammenarbeit. Gleich Anfang Januar übernimmt Frankreich turnusmäßig den EU-Ratsvorsitz – da war Macron nach dem Regierungswechsel in Berlin an Kontinuität der wichtigen deutsch-französischen Achse und Rückhalt für seine europäischen Projekte sehr gelegen.

An einem Strang ziehen wollen, auch wenn der Blickwinkel nicht identisch ist: Das zeigen Scholz und Macron auch bei Nachfragen zur Finanzpolitik. Macron wirbt für eine Lockerung der strikten Maastricht-Kriterien für Zukunftsinvestitionen. Gast Scholz meint, es sei möglich, beides gleichzeitig zu erreichen, man werde zu gemeinsamen Konzepten kommen.

Im Ukraine-Konflikt appelliert Scholz an Russland, die Unverletzlichkeit der Grenzen zu akzeptieren. „Es geht nicht nur um Macht, es geht auch um Prinzipien.“ Macron warnt vor einer Eskalation und spricht sich gegen das Verbreiten sich am Ende selbst erfüllender Prophezeiungen aus. Wichtig sei die Stabilität der Ukraine. Über einen möglichen diplomatischen Boykott der Olympischen Winterspiele in Peking wollen beide sich noch abstimmen.

Der Dissens in der Nuklear- und Klimapolitik, den die grüne Außenministerin Annalena Baerbock am Vortag schon erlebt hatte, zeigt sich auch diesmal. Scholz merkt wolkig an, die Ansätze zur Bewältigung des Klimawandels seien überall auf der Welt unterschiedlich. Es gehe darum, „eine Kraft zu schaffen, die es möglich macht, jeweils unterschiedlich auf das gleiche Ziel zuzumarschieren, aber gleichzeitig etwas zu schaffen, auf das man sich miteinander verständigen kann“.

Für Scholz ist es der erste Tag auf der Weltbühne. Am Abend telefoniert er auch mit US-Präsident Joe Biden. Doch nicht überall ist die Freude groß. Die Reaktionen aus Osteuropa auf die Ampel bleiben verhalten. Baerbock erlebt am Freitag in Warschau einen schwierigen Antrittsbesuch, erhält Belehrungen ihres polnischen Amtskollegen. Scholz muss derweil einen Zeitungsbeitrag des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán lesen. „Die neue linksliberale Regierung strebt weg von Kohls Europa der Vaterländer hin zu einer migrations- und genderfreundlichen, deutsch geprägten, zentralistischen Politik aus Brüssel. Hier stehen wir nicht mehr Seite an Seite“, schrieb Orbán.  (mit afp/cd)

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