Erste Frau regiert im Roten Rathaus

von Redaktion

VON ANDREAS HEIMANN UND STEFAN KRUSE

Berlin – Sie hat es geschafft: Nach einem Jahr voller persönlicher Höhen und Tiefen ist Franziska Giffey zur neuen Regierenden Bürgermeisterin von Berlin gewählt worden. Die 43-Jährige – SPD-Landesvorsitzende, Ex-Bundesfamilienministerin und seit einer Plagiatsaffäre ohne Doktortitel – steht damit an der Spitze einer Dreierkoalition mit Grünen und Linken. Die regiert in der Hauptstadt schon seit 2016 und will es nun noch einmal zusammen versuchen. Laut Giffey soll es ein Neustart werden. Von den zehn Senatoren aus der vergangenen Landesregierung sind noch zwei dabei.

Dass Etliches anders und möglichst besser werden sollte, sehen auch viele Berliner so. Sie wollen in der Hauptstadt nicht mehr wochenlang auf einen Termin im Bürgeramt warten, wünschen sich saubere Toiletten in Schulen, bezahlbare Wohnungen und gerade außerhalb der Innenstadtbezirke bessere Angebote im ÖPNV. Das Dreierbündnis hat nach fünfwöchigen Koalitionsverhandlungen bereits vereinbart, solche Probleme anzugehen. Berlin soll nach dem Willen von Rot-Grün-Rot sogar „Zukunftshauptstadt“ werden.

Giffey hat als Ziel ausgegeben, 20 000 neue Wohnungen pro Jahr zu bauen. Der neue Senator für Stadtentwicklung und Wohnen, Andreas Geisel (SPD), soll sich darum kümmern, dass es nicht bei Ankündigungen bleibt. Außerdem hat Rot-Grün-Rot vereinbart, mehr Polizisten einzustellen, mit mehr Videoüberwachung für mehr Sicherheit zu sorgen und die Verwaltung, ständiger Anlass für Frust und Klagen, zu modernisieren.

Auch in der Verkehrspolitik soll es vorangehen – deutlich schneller als bisher. Rot-Grün-Rot, kurz RGR, will die Verlängerung mehrerer U-Bahn-Linien in Angriff nehmen. Es soll mehr E-Busse, neue Tramlinien, bessere Verbindungen ins Umland und einen dichteren Takt bei Bussen und Bahnen geben. Das könnte, wenn mehr Menschen in Berlin vom Auto auf den ÖPNV umsteigen, auch dem Klimaschutz dienen.

Schon in den vergangenen Jahren hat der Senat erheblich in neue Busse und U-Bahn-Züge investiert und viele Planungen für neue Rad- oder Radschnellwege angeschoben. Allerdings ist vieles davon noch nicht umgesetzt. Darum soll sich vor allem die stellvertretende Regierungschefin und neue Senatorin für Verkehr, Umwelt und Klimaschutz, Bettina Jarasch (Grüne), kümmern.

Fest steht bereits, dass sich die Regierung auf Stresstests einstellen muss. Zum Beispiel die Entscheidung über die Umsetzung des Volksentscheids zur Enteignung großer Wohnungsunternehmen in Berlin. Fast 60 Prozent der Wähler hatten sich bei der Abstimmung am 26. September dafür ausgesprochen. Die Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“, die den Volksentscheid auf den Weg gebracht hat, verspricht sich davon, den Anstieg der Mieten zu bremsen, der zuletzt in Berlin deutlich höher war als im Bundesdurchschnitt. Die Linke hat die Initiative unterstützt, die Grünen sind skeptisch, die SPD hatte klar gegen Enteignungen Position bezogen. Bei den Koalitionsverhandlungen vereinbarte man, 2022 eine Expertenkommission einzusetzen. Das Thema birgt einiges Konfliktpotenzial.

„Heute beginnt RGR Staffel 2“, sagte die neue Verkehrssenatorin Jarasch nach der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags am Dienstag. Ob RGR das Zeug zur Erfolgsserie hat, muss sich zeigen – bis dann eventuell eine weitere Staffel geplant wird, sind noch fünf Jahre Zeit.

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