Es ist ein beispielloser Vorgang: Unmittelbar vor dem Bund-Länder-Gipfel zum Umgang mit Omikron twittert das dem Bundesgesundheitsministerium unterstellte Robert-Koch-Institut eine Alarm-Botschaft, die das Gegenteil von dem fordert, was die Politiker wenige Stunden später beschließen wollen: Maximale Kontaktbeschränkungen nicht erst ab 28. Dezember, sondern schon vor Weihnachten.
Der Frust bei RKI-Präsident Lothar Wieler muss sehr tief sitzen, wenn er derart offen die neue Regierung brüskiert. Bereits unter Jens Spahn konnte Wieler zunehmend nicht mehr verbergen, wie sehr es ihn verbittert, dass die Politik nicht auf die Warnung der Wissenschaft hören will. Doch Wieler und der neue Expertenrat der Bundesregierung, dem der RKI-Chef angehört, verstehen nicht, dass Politik anders funktioniert, als es die Virologen gerne hätten. Olaf Scholz und die Länder-Chefs können nicht allein auf bedrohliche Modellrechnungen schauen, sie müssen auch die Vermittelbarkeit in der Bevölkerung einbeziehen. Insofern scheint es politisch vernünftig, die Bürger noch einigermaßen normal Weihnachten feiern zu lassen, um die Akzeptanz für spätere härtere Einschränkungen nicht völlig zu verspielen.
Wielers „maximaler“ Frust-Tweet mag das Ziel verfolgt haben, Druck auf die Politik auszuüben. Was er jedoch geschaffen hat, ist maximale Verunsicherung der Bürger.
Klaus.Rimpel@ovb.net