GEORG ANASTASIADIS
Gut zwei Wochen sitzen die Grünen jetzt in der neuen Bundesregierung, und man kann der grünen Außenministerin Annalena Baerbock nicht vorwerfen, seither hasenfüßig durch die Weltpolitik zu hoppeln. An klaren Ansagen in Richtung Peking und Moskau fehlt es nicht – allerdings auch nicht an entsprechenden Retourkutschen. Eine davon trifft die Bundesbürger gerade in Form rekordhoher Gaspreise: Baerbocks Absage an einen baldigen Start der Ostseepipeline hat Russlands Präsident ungerührt mit einer Verknappung der Gaslieferungen gekontert. Allein seit Anfang Dezember schoss der Gasgroßhandelspreis um 80 Prozent nach oben. Deutschlands Speicher leeren sich bedrohlich. Es steht 1:0 für Putin.
Ist das Erpressung? Natürlich. Aber erpresst wird nur, wer sich erpressbar macht. Anders ausgedrückt: Man kann sich schon auf eine Rauferei mit dem Schulhofrowdy einlassen – aber man sollte es nur tun, wenn man Aussichten hat, auch zu gewinnen. Wer sich unabhängiger von Putins Gas machen und von „wertebasierter Politik“ nicht nur schwadronieren will, sollte die nötigen Vorkehrungen treffen – etwa durch langfristige Lieferverträge mit anderen Anbietern. Oder durch das Offenhalten alternativer Energieversorgungsoptionen. Dazu könnte die Verlängerung der Laufzeit der drei verbliebenen deutschen Atommeiler über 2022 hinaus gehören. Doch auch diese Tür haben die Grünen jetzt mit großer Geste zugeschlagen. „Unumkehrbar“ sei der Ausstiegstermin, erklärte gestern die grüne Umweltministerin Steffi Lemke.
Zudem haben die Grünen bei ihren Wählern hohe Erwartungen geweckt, indem sie in den Ampel-Vertrag den Satz hineinverhandelten, dass Deutschland „idealerweise“ schon 2030 auch aus der Kohle aussteigen solle. All das zusammen ergibt keine krisenfeste Politik für eine auf sichere und bezahlbare Energie existenziell angewiesene Industrienation, sondern ein buntes „Wünsch dir was“ aus dem energiepolitischen Bullerbü. Der Herr im Kreml wird seine Schlüsse daraus zu ziehen wissen, wenn sich die Deutschen weiter selbst in die Tasche lügen.
Georg.Anastasiadis@ovb.net