Triage-Gesetz gefordert

Achselzucken bei den Ärzten

von Redaktion

VON ANDREAS BEEZ

Im Weltkrieg gegen Corona gilt Triage als allerletzte Waffe – und spätestens seitdem sich der alte Feind in die neue, noch aggressivere Omikron-Variante verwandelt hat, schwebt die drohende Zwangsentscheidung auf Leben und Tod wie ein Damoklesschwert über den Köpfen der Pandemiebekämpfer. Für die Ärzte auf den Intensivstationen ist es schon schwer genug, den Angehörigen von Verstorbenen sagen zu müssen, dass sie vergeblich alles medizinisch Sinnvolle getan haben. Wie aber sollen Intensivmediziner beispielsweise verzweifelten Eltern erklären, dass sie gar nicht erst versucht haben, ihr Kind zu retten? Und der Gedanke, dass sie einen behinderten Menschen bewusst zugunsten eines nicht behinderten Patienten aufgeben sollen, sprengt sowieso die Vorstellungskraft nahezu aller Ärzte und Pflegekräfte.

Insofern hinterlässt das Karlsruher Urteil insgeheim viel Achselzucken unter den weißen Kitteln. In der Theorie mag ein Regelwerk über Triage löblich sein, dass es den Ärzten aber in der Praxis wirklich weiterhilft, darf man bezweifeln. Zu vielschichtig sind die Patientenschicksale in einer Pandemie, die eine kaum überschaubare Masse an Einzelfällen produziert. Viel wichtiger wäre es, endlich die Ursachen für die Versorgungsengpässe in den Kliniken zu beheben. Doch bei Schlüsselthemen wie dem Pflegekräftemangel und der Reform der Krankenhaus-Finanzierung fehlt leider ein Antreiber wie das Verfassungsgericht bei der Triage. Tragisch – denn indirekt fällt die Entscheidung über Leben und Tod nicht auf den Intensivstationen, sondern im Deutschen Bundestag.

Andreas.Beez@ovb.net

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