Steinmeier bleibt wohl

Mehr Empathie und Leidenschaft

von Redaktion

CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

Selten verändert eine Ansprache die Welt, noch seltener zum Guten. Und doch muss es der Anspruch eines Bundespräsidenten sein, sein Land zu wärmen, aufzurütteln, wenn er das Wort ergreift. Bei Frank-Walter Steinmeier war das bisher leider kaum der Fall. Der Bundespräsident verliest, was ihm seine Redenschreiber vordruckten; stets klug und überparteilich, nie falsch, aber auch nicht prägend. Kein Satz ist in dieser Krise hängen geblieben.

Die Briten mit ihrer Queen erleben das anders, selbst die Österreicher mit ihrem eloquenten Präsidenten. Der direkte Vergleich hinkt historisch und politikwissenschaftlich. Man würde Steinmeiers Amt auch überfrachten mit der Forderung, die Republik zusammenzuhalten. Das kann keiner allein, das können nur wir alle. Aber: Mehr Empathie und Leidenschaft, ein bisschen weniger staatsnotarielle Blässe – ja, das darf man sich schon wünschen, während sich eine Mehrheit abzeichnet, um Steinmeier im Frühjahr in eine zweite Amtszeit zu schicken.

Kann er nicht? Kann er. Er hat es anklingen lassen im November mit seinem Appell an die Ungeimpften („Was muss eigentlich noch geschehen?“). Davon braucht es mehr. Steinmeier wird nicht mit Hurra in Amtszeit zwei geschickt, sondern nur mit einem achselzuckenden Ist-halt-so angesichts der Mehrheit im bürgerfernen Konstrukt Bundesversammlung. Das sollte nicht das Leitmotiv bleiben. Der Bundespräsident muss zu klarer Stimme und mehr Gewicht finden. Nicht als Selbstzweck; sondern weil unser Land ein solches Staatsoberhaupt in den nächsten Jahren nötiger denn je brauchen wird.

Christian.Deutschlaender@ovb.net

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