Deutschland hat sich in diesem zu Ende gehenden Jahr mit einem gelungenen Regierungswechsel wieder sehr bewährt. Das neue politische Personal hat gute Chancen zum Erfolg. Es trifft die Mitte der Gesellschaft. Gründe, mit Sorgen auf 2022 zu blicken, gibt es aber auch.
Da ist Corona in immer neuen Varianten. Dann der Klimawandel, dem Deutschland ohne CO2-freie Kernkraft ziemlich naiv wehren will. So werden wir abhängig von importierter Energie aus Kernkraft ebenso wie Gas. Die hoch gepriesene Windkraft entsteht im Norden, aber es fehlen immer noch die Transportleitungen zu den Verbrauchszentren im Süden. Wasserstoff als Speichermedium ist ein Nullsummen-Spiel. Um es herzustellen, bräuchte man große Chemiefabriken, wirtschaftlich ist das kaum.
Moskaus Drohungen gegen die Ukraine und die ganze Rhetorik dort bleibt die größte außenpolitische Sorge. Ein schwacher Westen, ohne eine herausragende Führungspersönlichkeit, könnte am Ende nicht nur den Menschen in der Ukraine jede Hoffnung nehmen. Auch die deutsche Teilhabe am atomaren Schutzschirm der Amerikaner wird von Moskau infrage gestellt.
Russland hat sich zu einem waschechten totalitären Staat entwickelt, der alles vorschreibt, sogar die eigene Geschichte. So wird der Organisation Memorial verboten, die Verbrechen der Stalin-Herrschaft zu benennen. Damit fällt das Land hinter die Sowjetzeit eines Nikita Chruschtschow zurück.
Wer aber das kommende Jahr nur unter diesen und anderen negativen Vorzeichen sieht, macht einen Fehler, der sich durch Jahrtausende der Geschichte zieht. Schon bei Homer gab es die Meinung, die Götter wollten die Menschheit ganz vernichten. Naturkatastrophen, Seuchen, Hungersnot und Kriege, immer gab es Untergangspropheten, die alles kommen sahen und damit das nahe Ende der Menschheit. Irgendwann freilich bekommen sie Recht, diese Pessimisten, denn irgendwann passiert Furchtbares. Aber wann und wie schlimm? Das weiß niemand, weil wir die Zukunft nicht kennen. Und bisher hat die Menschheit immer überlebt und zu einem Leben in Frieden und zum privaten Glück zurückgefunden. Pessimismus kann daher keine Lebenshaltung sein. Es gibt viele Gründe, neben allen Sorgen, auf eine gute Zukunft zu hoffen. Das übersehen unsere Untergangsverkünder. Ihre Sicht ist einseitig und schief. Gerade der Jahreswechsel ist ein Anlass zur Zuversicht für unser eigenes Leben und für unser Land und für die Zukunft unserer Welt.
Die Dichterin Marie Luise Kaschnitz hat 1943 mitten im Krieg ein Gedicht verfasst, in dem sie vom „heiligen Bemühen“ zur Hoffnung spricht:
Kommen Sommer, da das Sensenleuten
Und das Korn, das tief in Reihen fällt,
Und die Blitze nicht den Tod bedeuten,
Der allmächtig seine Ernte hält.
Kommen lange Winter wieder, stille
Nächte, die kein Feuerlärm zerreißt, Tage, Jahre, die ein sanfter Wille
Ruhig dauern, ruhig gehen heißt.
Wind will wehen, Rosen wollen blühen
Mit der Hoffnung heiligem Bemühen
Wecken wir den Strom der Zuversicht.
Die Dichterin hat Zuversicht gefunden in schlimmer Zeit. Umso mehr können wir zuversichtlich sein in einem Land, um das uns viele beneiden.
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