München – Auf den ersten Blick ist es ein Tag der Nettigkeiten und des Lobes. Man sollte nur nicht tiefer kratzen. Also hebt Markus Söder an, um die nahende Wiederwahl des Bundespräsidenten zu preisen. Frank-Walter Steinmeier finde, so sagt der CSU-Chef, „in schweren Zeiten die richtigen Worte. Er hat den Kompass und das Verständnis für die Menschen, aber auch klare Haltungen und klare Ansichten“.
Die klare Ansage aus der Union: Steinmeier wird in der Bundesversammlung im Februar unterstützt. Dass Söder das sagt, nach einer gemeinsamen Videokonferenz der Spitzen von CDU und CSU, ist das letzte Puzzleteilchen für die Wiederwahl des Bundespräsidenten. Zuvor hatten sich auch die Grünen, die FDP und sowieso die SPD für ihn ausgesprochen.
So herzlich das klingt – überzeugt ist die Union davon mitnichten. Über Wochen hinweg hatte man hinter den Kulissen beraten, ob nicht eine Gegenkandidatin zu finden sei. Mit den Grünen wurde dem Vernehmen nach vorsondiert, ob die Ampel-Mehrheit vielleicht für eine überparteiliche Kandidatin aufgebrochen werden könne. Vergeblich, doch noch in der Unions-Schalte am Mittwoch gab es lautes Murren. Ex-Bundesminister Andreas Scheuer (CSU) spottete, so schildern mehrere Teilnehmer, wie weit es wohl um das „Selbstbewusstsein“ der Union bestellt sei, wenn sie nun mangels Alternativen und eigener Mehrheit Steinmeier lobpreise. „Todesmutig“ sei das nun nicht gerade, wird in der CSU-Spitze auch gelästert.
Söder fängt das ab mit der Warnung, „einfach nur dagegen, um dagegen zu sein“ – das sei ein „schlechtes Signal“. Ohnehin bemüht er sich um Harmonie, auch unionsintern. Die Videokonferenz von CSU und CDU geht nach 50 Minuten ohne Unions-Hakeleien zu Ende. Die Konstellation mag einmalig sein: Geleitet wird die Runde noch vom scheidenden CDU-Chef Armin Laschet. Der designierte Nachfolger Friedrich Merz ist nur zugeschaltet, sitzt im Pullover in seinem holzgetäfelten Häuschen vor einem Bauernschrank, vermutlich am Tegernsee. Söder lässt aber fallen, dass die Steinmeier-Sache „zwischen mir und Friedrich Merz, dann auch Armin Laschet“ abgesprochen sei – was die Machtverhältnisse besser illustriert.
Für die CSU selbst läuft der Tag glimpflich. Der Sender Sat1 legt eine GMS-Umfrage vor, die die Regierungspartei bei 35 Prozent sieht. Vergleicht man das mit den 48 Prozent der Umfrage von vor einem Jahr, sieht das Ergebnis düster aus. Weil intern die Erwartungen derzeit eher um die 32 Prozent liegen, ist die Zahl halbwegs erträglich. Von einem „Aufwärtstrend“ spricht Söder intern angeblich sogar. Allerdings hätte die Koalition mit den Freien Wählern (8) keine Mehrheit mehr, auch nicht mit der FDP (9). Ein Viererbündnis von Grünen (15), SPD (14), FDP und FW könnte ohne CSU regieren. Die AfD liegt bei 10.
Söders Werte sind in Ordnung. 63 Prozent sagen, er sei ein guter Ministerpräsident. Auch in der Parteizentrale herrscht Ordnung. Am Mittwochmorgen findet Söder, nun 55, in seinem Büro eine Geburtstagstorte vor, protokollarisch korrekt mit der Aufschrift für „Dr. Markus Söder“. C. DEUTSCHLÄNDER