Den Jahresbeginn hatte sich Wladimir Putin sicher anders vorgestellt. Sein Langzeit-Projekt – die versuchte Erpressung des Westens und der Ukraine – ist schließlich auf der Zielgeraden, wenn auch mit offenem Ausgang. Doch die Unruhen in Kasachstan zwingen ihn kurz vor den Ukraine-Gesprächen in Genf, zumindest kurzfristig neu zu fokussieren: Der Kreml-Chef muss nun erst mal dafür sorgen, dass nach Belarus nicht noch eine mit Russland verbandelte Ex-Sowjet-Republik auf Dauer ins Wanken gerät.
Das könnte militärische Energien und Ressourcen binden, liegt aber zweifelsohne im Eigeninteresse Moskaus. Auch die Unterstützung für den Minsker Diktator Alexander Lukaschenko ist ja weniger persönlicher Verbundenheit geschuldet als der Furcht davor, dass in der direkten Nachbarschaft der Putin-Autokratie ein anti-autokratisches Exempel statuiert wird. In Kasachstan haben sich die Proteste wohl an steigenden Preisen entzündet, aber die Unzufriedenheit der Menschen mit ihrer Führung liegt tiefer. Das und die schiere Geschwindigkeit, mit der sich der Frust Bahn bricht, dürften Putin zusätzlich alarmieren.
Für den Kreml-Chef kommen die Proteste jetzt zur Unzeit – einerseits. Andererseits: Sollte sich das Regime mit seiner Hilfe halten, würde es auf Dauer wohl noch näher an Moskau heranrücken. Auf mittlere Sicht kann sich die Angelegenheit für Putin sogar auszahlen.
Marcus.Maeckler@ovb.net