Präsidenten reden selten so ungeschliffen, wie es Emmanuel Macron gerade tat. Der Staatschef, sonst eher ein Feingeist, kündigte einen rigorosen Umgang mit Ungeimpften an und verirrte sich dabei in den Fäkalbereich der schönen französischen Sprache. Die hierzulande verwendete Übersetzung, man werde Skeptiker weiter „nerven“, trifft den derben Kern nicht annähernd.
Nicht nur in Frankreich wird der Ton rauer. Kanadas Premier Justin Trudeau bezeichnete mehrere Dutzend Landsleute, die auf einer Partyreise jede Zurückhaltung aufgaben und sich folgerichtig infizierten, als „Idioten“. Niemand braucht zu glauben, dass es sich in einem der Fälle um einen verbalen Ausrutscher handelte. Dafür sind die Herren in ihrem beruflichen Alltag zu trittsicher auf dem glatten diplomatischen Parkett, wo Worte mit höchster Vorsicht gewählt werden müssen.
Es ist sicher auch aufrichtige Empörung dabei, wenn ein hoher Repräsentant Klartext spricht wie das gemeine Volk. Unüberhörbar aber klingt das Kalkül durch, den Ton der schweigenden und zunehmend zornigen Mehrheit zu treffen, die sich an alle Regeln hält und doch immer neue Maßnahmen hinzunehmen hat. Besonders in Frankreich, wo im Frühjahr ein neuer Staatschef gewählt wird. Ehe sich der Unmut auf den aktuellen Präsidenten richtet, leitet der ihn lieber uncharmant weiter. Das Risiko hält sich in Grenzen. Beinharte Impfskeptiker werden Macron am Ende sowieso nicht wählen.
Marc.Beyer@ovb.net