Regierungen im Wirtshaus-Streit

von Redaktion

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

München/Berlin – Früher wurde in diesem Kreis noch wilder gestritten. Er solle hier „nicht so schlumpfig herumgrinsen“, fauchte Markus Söder vor einem knappen Jahr Olaf Scholz an. Und: „Sie sind nicht der König von Deutschland.“ Heute wird noch immer gerungen in der Konferenz von Bund und Ländern, aber viel gesitteter. In der Form von Protokollerklärungen, also Fußnoten, beharken sich der Ministerpräsident aus Bayern und der König, nein Kanzler, aus Berlin.

Es geht um die Frage, wie scharf die Corona-Regeln im Wirtshaus sein sollen. In einer dreistündigen Videokonferenz am Freitagnachmittag werden sich der Bund und die 16 Länder-Chefs darüber nicht einig. Ausgerechnet Söder, über weite Strecken der Pandemie einer der Strengsten in der Runde und der Rufer nach bundesweiter Einheitlichkeit, trägt die Verschärfung nicht mit. Überall in Deutschland soll künftig „2G plus“ für die Gastronomie gelten, also Zutritt nur für Geimpfte und Genesene mit tagesaktuellem Test oder Drittimpfung. „Das ist eine strenge Regelung“, sagt Kanzler Scholz. Sie sei notwendig. Bayern stellt das infrage, hier genügt weiterhin 2G.

Die Protokollnotizen, die Bayern (und Sachen-Anhalt) in die Abschlusserklärung reinzwingen, enthalten Sticheleien Richtung Bund. 2G plus für die Gastronomie müsse „erst auf Basis einer gesicherten wissenschaftlichen Expertise sorgfältig geprüft werden“, steht da. Die liege nicht ausreichend vor. Man könnte auch sagen: Söder wirft dem Bund Blindflug vor. In anderen Fragen bleibe der Beschluss hinter dem zurück, was in Bayern längst gelte. Etwa die FFP2-Pflicht oder die Disco-Schließung.

In der Bund-Länder-Runde zeigt sich, obwohl die Wahl vorbei ist, eine parteipolitische Kluft. Die schwarzen Ministerpräsidenten machen Druck auf den roten Kanzler. Angeführt von Hendrik Wüst (CDU) aus Nordrhein-Westfalen verlangen sie mehr Tempo bei der Impfpflicht und die Rückkehr zur epidemischen Notlage. Scholz lässt das abtropfen, schiebt beides dem Bundestag zu. Auch ohne offizielle Notlage könne man umfassend reagieren. „Wenn etwas zu tun ist, wird sofort gehandelt.“ Auch der Zeitplan für eine allgemeine Impfpflicht bleibt offen. Insgesamt sprechen sich die 16 Länder und der Bund aber weiterhin dafür aus.

Einigermaßen im Konsens beschließen die Regierungschefs zwischen Kiel und München neue Quarantäne-Regeln. Aufs Erste klingt das kurios: Obwohl Omikron anrollt, wird die Isolation verkürzt. Dahinter steckt die Sorge, dass die Wirtschaft zusammenbricht, wenn Millionen Arbeitskräfte gleichzeitig in Quarantäne gezwungen werden. Nun gilt: Zehn Tage Quarantäne (statt bisher 14), nach sieben Tagen sogar die Möglichkeit zum Freitesten. Wer geboostert ist und negativ, muss als Kontaktperson gar nicht in Quarantäne. Das gilt sogar für frisch doppelt Geimpfte und frisch Genesene jeweils drei Monate. „Wir können nicht das ganze Land einsperren“, sagt Söder.

Für 24. Januar hat sich die Runde wieder verabredet. „Vielleicht auch früher“, streut Söder ein. In der Zwischenzeit beruft er in Bayern das Kabinett ein. Am Dienstag soll die Koalition mit den Freien Wählern den Kurs beschließen. „Bayern bleibt im Team Vorsicht, aber auch im Team Augenmaß“, dichtet er.

Allerdings gibt es in seiner Koalition durchaus Unruhe. Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger verlangt weitere Lockerungen, will unter anderem die 2G-Regel für den kompletten Handel kippen. Dafür kommt aus der FDP-Fraktion Lob für Söder, seine Absage an 2G plus im Wirtshaus beweise Augenmaß.

Bayern wirft dem Bund Blindflug vor

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