Almaty – Im zentralasiatischen Kasachstan eskaliert die Lage nach schweren Unruhen immer weiter. Der Präsident der autoritär geführten Ex-Sowjetrepublik, Kassym-Schomart Tokajew, erteilte einen Schießbefehl gegen Demonstranten. „Ich habe den Sicherheitskräften und der Armee den Befehl gegeben, ohne Vorwarnung das Feuer zu eröffnen“, sagte der 68-Jährige in einer Fernsehansprache.
Besonders in der Millionenstadt Almaty im Südosten scheint sich die Situation dramatisch zuzuspitzen; dabei drangen unabhängige Informationen von dort zwischenzeitlich kaum noch nach außen durch. Aufrufe aus dem Ausland, eine friedliche Lösung für die Krise zu finden, tat Tokajew als „Dummheit“ ab: „Was für Verhandlungen kann es mit Verbrechern und Mördern geben?“ Die sogenannten Anti-Terror-Einsätze würden bis zur „vollständigen Vernichtung der Kämpfer“ fortgeführt. Nach seiner Darstellung soll die Lage aber weitgehend unter Kontrolle der Sicherheitskräfte sein.
Am Morgen hatte das Staatsfernsehen berichtet, dass bereits 26 Demonstranten getötet worden seien. Zudem habe es landesweit mehr als 3700 Festnahmen gegeben. Befürchtet wurde, dass es nun noch viele weitere zivile Todesopfer geben könnte. Offiziellen Angaben zufolge starben bislang auch mindestens 18 Sicherheitskräfte. Die Bundesregierung rief alle Akteure in Kasachstan dringend zu Besonnenheit auf. Justizminister Marco Buschmann verurteilte Tokajews Schießbefehl scharf. „Wer ohne Vorwarnung auf Demonstranten schießen lässt, um zu töten, hat den Kreis zivilisierter Staaten verlassen“, schrieb der FDP-Politiker auf Twitter. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen forderte ein Ende der Gewalt. Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping hingegen stärkte Tokajew demonstrativ den Rücken und bezeichnete dessen Handeln als „höchst verantwortlich“.
Auslöser der schwersten Ausschreitungen seit Jahren in Kasachstan war Unmut über gestiegene Gaspreise. Die Demonstrationen schlugen schnell in teils gewaltsame Proteste gegen die autoritäre Staatsführung um. Viele Menschen sind frustriert über Korruption und Machtmissbrauch im Land. Als Reaktion auf die Proteste entließ Tokajew die Regierung und verhängte den Ausnahmezustand. Auf seine Bitte griff zudem ein von Russland geführtes Militärbündnis ein.
Von den Unruhen besonders erschüttert ist die Wirtschaftsmetropole Almaty. Bereits in der Nacht zum Donnerstag wurden dort Fallschirmjäger eingesetzt. Die Staatsführung rechtfertigt das teils brutale Vorgehen von Polizei und Militär gegen die Demonstranten mit der massiven Bedrohung, die angeblich von ihnen ausgehe. Bewaffnete „Verbrecher“ hätten mehrere Gebäude besetzt, hieß es. Oft handelt es sich um Darstellungen von Behörden und Staatsmedien – oder vom Präsidenten selbst. Stimmen unabhängiger Beobachter gab es zwischenzeitlich kaum. Das Internet wurde abgestellt, die Mobilfunkverbindung war ständig unterbrochen.