München – Eigentlich sollte es jetzt summen auf diesem Flur im Landtag, aber hier herrscht gähnende Leere und Dunkelheit. Alle Türen sind verschlossen, die Büros dahinter leer, nur in einem sitzt ein einsamer Mitarbeiter. Alle weg, erzählt er freundlich, leider alle in Quarantäne. Maximilianeum am Mittwoch, Nordbau, fünfter Stock: Das Areal der Freien Wähler ist verwaist, die für drei Tage geplante Klausur der Regierungsfraktion abgesagt.
Corona hat die Fraktion erwischt, und zwar mit Wucht. Ein Abgeordneter nach dem anderen erhielt am Dienstagabend ein positives Testergebnis, dazu mehrere Mitarbeiter, am Ende rund ein Dutzend Leute. Was als Routinetest vor der Klausurtagung im Maximilianeum geplant war, legt plötzlich einen Teil der Staatsregierung lahm. Die einzelnen Fälle sind undramatisch, keine Symptome, jeder Betroffene war geboostert. Ärgerlich ist aber: Weil die Fraktion kurz vorher noch eng zusammensaß, geht jeder Teilnehmer vorerst in Quarantäne – vom Neuling aus der letzten Reihe bis rauf zu den Ministern Michael Piazolo, Thorsten Glauber und Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger. Noch ist nicht ganz klar, wer von ihnen das rechtlich zwingend muss, sicherheitshalber isolieren sich erst mal alle.
Manche nehmen es mit Humor, manche mit Gleichmut. Er habe eh genug Schreibtischarbeit, sagt Aiwanger am Telefon. Wie lang die Quarantäne anhält, ist von Fall zu Fall unterschiedlich; bis Freitag wohl mindestens. Ab dann sollen ohnehin neue Regeln gelten, die alle geboosterten Kontaktpersonen befreien. Aiwanger selbst fällt noch nicht darunter. Er hatte sich ja spät erstmals impfen lassen. Nun kann er sich erst kommende Woche freitesten. Vorteil: Wegen der Klausur hatte er ohnehin kaum Termine ausgemacht. „Jetzt habe ich eben mehr Zeit zum Telefonieren“, sagt der Wirtschaftsminister.
Im Internet hagelt es erwartbar Spott für Politiker in Quarantäne. Fairerweise ist zu sagen: Mit ihrem strengen Test-Regime hat die Fraktionsspitze wohl verhindert, dass die Klausur zum Superspreader-Event wird. „Wir haben angesichts von Omikron auf besondere Vorsicht gesetzt“, sagt Fabian Mehring, der parlamentarische Geschäftsführer. Man habe, anders als sonst im Landtag üblich, von jedem Teilnehmer einen PCR-Test verlangt. Nur so flogen die Positiv-Fälle auf, denn die Antigen-Schnelltests zeigten, so schildert es Mehring, in jedem einzelnen Fall nichts an. „So unglücklich unser Start ins neue Jahr damit ausfällt, so vorbildlich hat unser umsichtiges Krisenmanagement funktioniert.“
Was bleiben wird von der FW-Welle, sind in jedem Fall Zweifel an den Schnelltests. „Das bringt einen schon ins Nachdenken“, sagt Mehring.
Auch in mehreren anderen Fraktionen setzten am Mittwoch eilige Krisenrunden ein. CSU, SPD, FDP und AfD planen noch im Januar ihre Klausuren, hofften eigentlich auf Präsenz und externe Gäste. Die Sorge, dass auch diese Tagungen von positiven Tests in letzter Minute zerschossen werden, ist groß. Die CSU wechselt nun auch in ein virtuelles Format und verkürzt ihre Tagung.
Vor allem aber steuert der Landtag auf ein Problem zu: Für 25. Januar ist die nächste Plenarsitzung geplant, die Opposition wollte sogar früher wegen der neuen Corona-Regeln reden. Was, wenn sich weitere Abgeordnete anstecken? Bisher gibt es keinen Rechtsrahmen, um aus der Quarantäne an Debatten teilnehmen und abstimmen zu können. Im Moment dürfte wohl kein einziger Freier Wähler ins Plenum – die Söder-Koalition hätte vorübergehend keine parlamentarische Mehrheit. Die Opposition wird so eine Lage nicht ausnutzen – aber es gibt eiligen Regelungsbedarf, heißt es aus dem Landtag.
C. DEUTSCHLÄNDER/M. SCHIER