Es war mehr als nur ein redaktionelles Versehen, dass Benedikt XVI. sich zunächst nicht an seine Teilnahme an der ominösen Ordinariatssitzung im Januar 1980 erinnern konnte oder wollte. Wenn Joseph Ratzinger auf diese Weise glaubt, seine Verantwortung für den Fall des Missbrauchs-Priesters Peter H. abschieben zu können, dann irrt er sich. Diese gestrige Stellungnahme war eine große Enttäuschung. Statt die – vielleicht – letzte Gelegenheit zu nutzen, reinen Tisch zu machen und sich bei den Menschen zu entschuldigen, die im Erzbistum Opfer eines Missbrauchspfarrers geworden sind, den Joseph Ratzinger und seine Nachfolger nicht gestoppt haben, versucht sich der 94-Jährige herauszureden.
Wenn die Aufarbeitung des fast 2000 Seiten starken Gutachtens in einer Schlacht aus rechtlichen Spitzfindigkeiten endet, haben die Verantwortlichen an der Kirchenspitze nichts gelernt. Das wäre eine abstoßende Debatte, die abermals die Opfer von sexuellem Missbrauch und Gewalt verhöhnen würde. Jetzt ist die Zeit für Einsicht und Reue. Ein Systemwandel ist notwendig. Die Betroffenen von Missbrauch müssen an erster Stelle stehen. Eine unabhängige Wahrheitskommission muss die Verbrechen untersuchen, denn man sieht: Die Kirche kann nicht über sich selber richten. Die Machtstrukturen gehören der Vergangenheit an. Zukunft hat eine Kirche der Freiheit und Nächstenliebe, die Kirche Jesu.
Claudia.Moellers@ovb.net