Das „Team Hoffnung“ lockert

von Redaktion

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER UND MIKE SCHIER

München – Das letzte Mal, dass der FC Bayern vor vollbesetztem Haus spielte, bereitete sich das Land gerade auf die vierte Corona-Welle vor. Anfang November war das. 75 000 in Fröttmaning. Gegner: der FC Freiburg. Die Inzidenz lag bei 96. Drei Wochen später, gegen Bielefeld, durften nur noch 12 000 in die Arena. Inzidenz: 479. Dann war Schluss mit Zuschauern. Gestern Morgen nun meldete das Robert-Koch-Institut für München eine Inzidenz von 1582. Absoluter Rekordwert. Und kurz darauf beschloss das bayerische Kabinett, dass künftig wieder 10 000 Fans auf die Ränge dürfen.

So ändern sich die Zeiten: In der Omikron-Welle, manche sehen sie gar als „Wand“, werden manche Logiken neu definiert. Jetzt gilt: Lockern und öffnen trotz extrem hoher Inzidenzen. Wer genau hinhört bei den Ministern, die Bayerns neue Beschlüsse vortragen, spürt aber einen Rest Unsicherheit. Es ist ein Risiko, mitten in die stark steigenden Zahlen rein ein Öffnungskonzept zu starten. Florian Herrmann, der Staatskanzlei-Minister, mag dazu nicht mal „Lockerung“ sagen, der Begriff „Anpassung“ wäre ihm lieber. Er muss ja ebenso konstatieren, dass die Inzidenzen das bisher bekannte Maß bayernweit sprengen. Und dass die Welle die Krankenhäuser, nicht aber die Intensivstationen erreiche, sagt er auch. Die Staatsregierung, bisher strikt im „Team Vorsicht“, setzt nun auch auf das Prinzip Hoffnung, dass Omikron so mild in den Verläufen bleibt wie bisher.

Falls ja, ist Bayern nun schneller als die anderen Länder, hatte bisher allerdings auch strengere Regeln. Ab Donnerstag darf nun wieder Publikum in den Stadien sitzen (nicht stehen). Da gelten weiter Alkoholverbot, Abstandsgebot, Maskenpflicht und Zutritt nur für Geimpfte/Genesene. Auch für die Kultur wird spürbar gelockert. Ab morgen dürfen doppelt so viele Gäste in Kinos, Konzertsäle und Theater, 50 statt 25 Prozent der Kapazität bei „2Gplus“ und Lockerung der Abstandspflicht.

Sensationell neu ist all das nicht, Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und seine Leute haben es seit Wochen angedeutet. Die Reaktionen darauf bleiben zurückhaltend – aus den betroffenen Branchen eher erleichtert. „Endlich!“, sagt zum Beispiel Andreas Beck, der Intendant des Bayerischen Staatsschauspiels: „Die ungleich strengere Verfahrensweise in der Kunst und Kultur aufzuheben, freut uns sehr. Wir ziehen gleich mit Wirtschaft und Gastronomie.“

Nun, nicht ganz gleich. In der Gastronomie gibt es kaum Kapazitätslimits und keine Maske am Platz, im Handel ist 2G sogar wegen einer Gerichtsentscheidung ganz ausgesetzt. Gleich ist dafür, dass überall energisch dementiert wird, ein Treiber für Infektionen zu sein. Er höre seit zwei Jahren, wer alles total sicher sei, spöttelt Minister Herrmann nebenbei, er wisse dann nur nicht, wo all die Infektionen herkommen.

Im Landtag gibt es ein gemischtes Echo. Die FDP unterstützt die Erleichterungen für Sport und Kultur, fordert sogar die Abkehr von „2G plus“. Die SPD stellt sich hinter die 50-Prozent-Linie für die Kultur. Die Grünen dagegen hatten zuletzt strengere Maßnahmen gefordert, unter anderem eine Gastro-Verschärfung. Die aktuellen Beschlüsse lobt Fraktionschefin Katharina Schulze immerhin in einem Punkt: dass es Lockerungen für ungeimpfte Kinder und Jugendliche im Freizeitbetrieb und der Jugendarbeit gibt.

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