Der Besuch hatte nicht nur symbolischen Wert: Emmanuel Macron signalisierte gestern mit seiner Stippvisite bei Olaf Scholz dem russischen Präsidenten Wladimir Putin Entschlossenheit. So, als sei Europa in der Ukraine-Frage geeint. Tatsächlich tappt der Kontinent aber ziemlich planlos durch die Krise. Jedes größere Land kämpft mit eigenen Befindlichkeiten.
Deutschland erlebt mit dem Abschied von Angela Merkel eine Zäsur, ihr Nachfolger Olaf Scholz legt schon bei innenpolitischen Fragen die Richtlinienkompetenz sehr defensiv aus – einen europäischen Führungsanspruch sucht man bei ihm vergeblich. Macron hat den zwar, muss vor der Präsidentschaftswahl im April um sein Amt bangen. In Italien droht die Regierung ihren Premier ins Amt des Staatspräsidenten zu verlieren. Und der krisengeschüttelte Boris Johnson in Großbritannien kämpft gar ums politische Überleben. Er hat sich bislang am deutlichsten auf die ukrainische Seite geschlagen und sogar Waffen geliefert. Vielleicht hofft er heimlich auf das uralte politische Grundgesetz, wonach ein gemeinsamer Gegner von außen die Reihen im Inneren schließt.
Umso wichtiger ist, dass man sich jetzt darum bemüht, die Reihen zu schließen – zumal bislang auch US-Präsident Joe Biden eine eher unglückliche Figur abgibt. Heute wird auch der britische Verteidigungsminister Ben Wallace in Berlin erwartet. Solche Abstimmungen sind wichtig. Inhaltlich. Symbolisch. Putin wird den Westen nur ernst nehmen, wenn der mit einer Stimme spricht.
Mike.Schier@ovb.net