„Die Politik hat nicht die Kontrolle verloren“

von Redaktion

Lauterbachs positive Omikron-Zwischenbilanz – RKI-Chef: Fallzahlen nicht mehr entscheidend

München/Berlin – Karl Lauterbach ist sichtlich bemüht, keinen ungünstigen Eindruck entstehen zu lassen. „Die Politik hat nicht die Kontrolle verloren“, betont der Bundesgesundheitsminister von der SPD. Es gebe mitten in der Omikron-Welle sogar eine positive Zwischenbilanz zu ziehen. Denn zwar steigen die Corona-Neuinfektionen Tag für Tag auf immer schwindelerregendere Höhen (gestern 190 148). Doch damit habe man gerechnet, sagt Lauterbach – er selbst ging sogar von Werten bis zu 400 000 aus.

Entscheidend ist in Lauterbachs Augen etwas anderes. Nämlich, dass die besonders gefährdete – und in Deutschland obendrein vergleichsweise wenig durchgeimpfte – ältere Bevölkerung geschützt werde. Das sei mit den Maßnahmen bisher gelungen. Während die Inzidenz bei den Jüngeren bei rund 2000 liege und im Gesamtdurchschnitt bei etwa 1000, stehe der Wert bei den Älteren zwischen 200 und 300. „Wir kontrollieren die Welle“, sagt Lauterbach.

Es ist wieder Freitagvormittag. Wie jede Woche um diese Zeit beantworten der Gesundheitsminister die Fragen der Presse zur Pandemie. Mit auf dem Podium sitzt RKI-Chef Lothar Wieler. Auch er verpackt seine Botschaft zunächst in eine gute Nachricht.

„Die Zahlen steigen bei Weitem nicht so heftig wie möglich“, sagt Wieler. Ein paar Sätze später wird allerdings deutlich, dass das nur auf den ersten Blick Entwarnung bedeutet. Denn Wieler glaubt, dass der Zenit noch keinesfalls überschritten ist. Deutschland steuere „auf einen Höhepunkt“ der Pandemie zu. Allein in den vergangenen sieben Tagen hätten sich rund 890 000 Menschen mit dem Coronavirus infiziert, das entspreche einem Prozent der Bevölkerung, erklärt Wieler. Jeder dritte PCR-Test sei positiv ausgefallen. Insgesamt fallen also rund zehn Prozent aller Neuinfektionen während des gesamten Verlaufs der Pandemie in diese eine Woche.

Auch bei den Älteren werde es noch einen Anstieg geben, sagt Wieler voraus. Und es sei noch nicht sicher absehbar, wie sich das in den kommenden Wochen auswirken werde. Klar sei nur: Die Krankenhäuser würden es zu spüren bekommen. Schon jetzt steige die Zahl der Menschen, die wegen Omikron dort behandelt werden, wieder an. Und allein die hohen Infektionszahlen würden aller Voraussicht nach dafür sorgen, dass sich dieser Trend verstärkt.

Trotzdem: In dieser neuen Phase der Pandemie sei die reine Fallzahl nun nicht mehr das entscheidende Kriterium, sagt Wieler. Die bislang verfolgte Corona-Strategie der generellen Eindämmung der Pandemie, des Schutzes und der Abmilderung könne so nicht mehr weitergeführt werden. „Wir müssen jetzt in erster Linie auf die Krankheitslast und die Krankheitsschwere schauen.“ Das Ziel bleibe, „schwere Verläufe zu verringern und die Arbeitsfähigkeit von Kliniken, aber natürlich auch von anderen kritischen Infrastrukturen aufrechtzuerhalten“, sagt Wieler.

Dazu müssten weiterhin insbesondere Ältere und Vorerkrankte geschützt werden. Lauterbach rief gerade diese Menschen dazu auf, sich jetzt boostern zu lassen und nicht auf neue Omikron-Impfstoffe zu warten. Mit den bereits verfügbaren Impfstoffen sinke das Risiko, an dem Virus zu sterben, um 99 Prozent.

Das Gute an Wellen ist, dass sie naturgemäß irgendwann auch wieder abflachen. Lauterbach – derzeit Deutschlands beliebtester Politiker – rechnet hierzulande Mitte oder Ende Februar damit. Dann seien auch Lockerungen eine „realistische Perspektive“, stellt der Gesundheitsminister in Aussicht. SEBASTIAN HORSCH

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